Von Günter, 13.09.2017

BOB DYLAN/ WILLIE WATSON/ JOSE CARLOS GOMEZ/ TRIO DA KALI & KRONOS QUARTET/ SOULJAZZ ORCHESTRA/ DEER TICK

In diesen Tagen feiert die Veröffentlichung von BOB DYLAN’s „Time out of Mind“ ihr 20. Jubiläum. Sein m.E. letzter wirklich grosser Wurf wird von seiner Plattenfirma natürlich gebührend abgefeiert. Wen’s interessiert, wo das alles herkommt, sollte sich WILLIE WATSON’s „Folksinger Vol. 2“ anhören. Traditionelle Railroad Songs, Delta Blues, Musik aus den Appalachen, Lieder, die schon Generationen vor ihm gesungen haben, weltweit popularisiert durch u.a. Leadbelly, Furry Lewis oder Reverend Gary Davis. Das ist die Tradition des Geschichten-Erzählens, Singens, Erfahrungen-Verbreitens aus der der Zimmermann am Anfang seiner Karriere schöpfte. WILLIE trägt sie hier im Alleingang zu Gitarre oder Banjo vor, in einer Art und Weise, dass m/f sofort merkt, dass er das nicht für diese CD trainiert hat, sondern diese Tradition lebt. Ob mit seiner früheren Band, The Old Crow Medicine Show, oder wie hier gelegentlich mit einem Gospel-Quartett. Die Songs selbst kennt der hörerprobte Musikfreund (sie auch) sicher auch, sei es von Led Z. oder Ry Cooder, es gibt Themen und Melodien, die bleiben immer aktuell.

Noch einer, der es ganz alleine wagt. JOSÉ CARLOS GOMEZ gilt als eines der grössten Talente der aktuellen Flamenco Szene. Nach kurzer verbaler Vorstellung zeigt er auf „Origen“ in den folgenden 8 Kompositionen, dass für diese Musik flinke Finger zwar von Vorteil, aber nicht allein das Salz in der Suppe sind. Mit feinem Gespür für Töne und Harmonien gelingen ihm auch ohne Gesangs-Einsätze Musikstücke mit hohem Wiedererkennungswert, die trotz Minimal-Besetzung (ganz allein ist nicht ganz richtig, es gibt Kastagnetten zur Begleitung) über die länge der CD spannend und vor allem vielseitig bleiben.

Tradition und Moderne

Mehr Saiten-Instrumente! Ein grossartiges Album zwischen Tradition und Moderne gelingt dem TRIO DA KALI mit dem KRONOS QUARTET. Das afrikanische Trio mit weiblicher Stimme, Balafon und Ngoni wird unterstützt, besser ergänzt, durch die vier abendländischen Streicher. Das ergibt faszinierende Klangfarben aus ungewohnten Harmonien. Überwiegend Traditionelles aus Mali, ausgerichtet am Gesang, einer weiteren überzeugenden Naturstimme, entwickeln die 11 Titel durch den sparsamen Einsatz der Instrumente einen musikalischen Sog, dem m/f sich nicht entziehen kann. Neues Kulturgut, umgesetzt durch Nick ‚Buena Vista‘ Gold und den Aga Khan Trust for Culture.


Karibisch infiziert

Bleiben wir noch in anderen Sphären. Das SOULJAZZ ORCHESTRA klang noch nie so karibisch infiziert, wie auf dem neuen „Under Burning Skies“. Dabei wird aber der Ursprung, afrikanische Rhythmen versetzt mit souligen Grooves nicht vergessen. Zwischen Soca, Calypso und Zouk findet sogar noch etwas ‚Electric Boogie‘ (in den 80ern nachschlagen..) Platz. Statt knackiger Bläser-Riffs erzeugt die luftgetriebene Abteilung Melodien, die im Ohr bleiben und Titelweise perfekt als Ersatz für Gesang durchgehen. Und wenn gesungen wird, dann im richtigen Gusto!


2 neue CDs gleichzeitig

„Mit einer Platte in der Tasche gehe ich noch längst nicht nach Hause“ sagt John McCauley, der Frontmann von DEER TICK. Und so gibt es gleich 2 neue Platten der Herren, heissen ausgeklügelt „Vol.1“ und „Vol. 2“ und unterscheiden sich grundsätzlich. Die erste ist fast komplett mit akustischem Instrumentarium eingespielt, bedient eher den Sektor ‚Americana‘, lässt aber bei Stimme und Arrangement die Vorliebe für Unangepasstes, wohl in Punk-Zeiten Verwurzeltes durchscheinen. Klasse Songs, geschickt instrumentiert und authentisch und mit Verve vorgetragen. Etwas Folk, ein wenig Country, eine Spur Soul, traditionell, jedoch nicht altbacken.


Vol.2, voll elektrifiziert, beginnt mit krachenden Akkorden, wie m/f sie von Bruce oder Tom Petty bestenfalls Live kennt. Damit ist auch gleich die Grundstimmung beschrieben. Rau und ehrlich, ohne Rücksicht auf mögliches Radio (Airplay), mit Wucht und Wut, mit Handwerk und genau Wissen, was man will. Bei alledem sind die Songs jedoch sehr zugänglich, mit gekonnter Rhythmus-Arbeit und nachvollziehbaren Harmonie-Verläufen. Eine ‚anständige‘ Rock-Platte mit Riffs, Krach, gelegentlich punkiger Attitüde und minimalem Stereotypen-Verbrauch.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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