Ohrenschmauch
Von Günter, 04.10.2017
CHAIRMAN/ AYO/ AMADOU & MARIAM/ TINE THING HELSETH/ JEFF CASCARO/ NICOLE WILLIS/ LIZZ WRIGHT
Das erste Nordlicht dieser Woche kommt aus Dänemark und nennt sich CHAIRMAN. „The strange Life“ ist als Titel gut gewählt, beginnen doch einige Songs so eingängig poppig, dass m/f an Lucas Graham denken könnte. Spätestens jedoch zur Halbzeit demontiert er den Schönklang, experimentiert mit Worten, Klängen und Instrumenten, kommt jedoch im Lauf der Platte immer wieder auf den Song zurück. Auf jeden Fall schafft er es auf diese Weise, die Neugierde und Spannung bis zum Ende des Albums hoch zu halten. Ist übrigens bereits sein 2. Werk.
Bereits bei Album Nummer 5 ist AYO angekommen. Von den Songs über die Instrumentierung bis zur Produktion hat sie für die neue CD ohne Titel fast alles selbst gemacht. Ihre Art Pop und Folk mit Reggae und ein wenig Funk zu würzen gewinnt auch in dieser Variante. Sehr persönliche Texte über das (ihr) Leben als solches, mit sehr positiver Ausstrahlung und ganz viel Emotion, die sie auf den 14 Titeln (plus 1 ‚hidden‘ Track) auf ihre HörerInnen übertragen möchte.
Ihre positive Botschaft per Musik zu überbringen ist seit jeher das erklärte Ziel von AMADOU & MARIAM. Für ihr 8. Album (ausserhalb ihrer Heimat) haben die Eheleute aus Mali auf die ihrer Meinung nach besten ‘modernen‘ Musiker ihrer Heimat zurückgegriffen, um den heimatlichen Rhythmen und Harmonien einen maximal internationalen Touch zu geben, die Musik Malis in einer neuen Variante mit viel Pop Einfluss in die Welt zu tragen. „La Confusion“ zeigt, dass trotz der Beigabe von viel westlicher Produktion der einmalige Charakter afrikanischer Musik problemlos erhalten bleiben kann.
Das 2. Nordlicht dieser Seite kommt aus Norwegen. TINE THING HELSETH heisst die junge Dame und singt mit eher hoher Stimme ganz, im wahrsten Wortsinn, schöne Lieder. Mit konventionellem Instrumentarium einschliesslich Rodes und Hammond eingespielt, feinen Arrangements für das mitwirkende Streichquartett und sehr melancholisch wohlklingenden Einlagen von Trompete, die sie selbst spielt. Produziert und instrumental unterstützt von Mathias Eick.
Eine ganz feine, fast intime Jazz-Gesangs-CD hat JEFF CASCARO als sein jüngstes Baby in die Welt gesetzt. „Love & Blues in the City“ enthält 7 ausgesuchte Cover-Versionen und 3 Eigengewächse. Eingespielt mit konventionellen Trio aus Bass, Drums und Piano und dem Sänger, der die ausgewählten Titel zu ‚seinen‘ macht, im Zentrum des Geschehens steht und trotzdem ‚in‘ der Musik ist. Kein vordergründiges ‚Geknödel‘, keine Emotionen für’s Blitzlicht, sondern viel Liebe und viel Blues, so wie‘s das Leben beschert.
Sehr viel extrovertierter geht es zu auf der neuen CD von NICOLE WILLIS. Wie (fast) immer unterstützt von Jimi Tenor und in diesem Fall vom UMO Jazz Orchestra. Und das ist eine richtige Big Band, 18 Mann hoch. „My Name is Nicole Willis“ ist, wenn m/f so will, die Big Band Jazz Variante von Shirley Jones. Ausgeschlafene Arrangements von Pete Toikkanen lassen ihre Variante ‚Northern Soul‘ ordentlich vorwärts marschieren, über ihre stimmlichen Qualitäten muss ich hier wohl nichts mehr schreiben und über den eigenwilligen Humor der Finnen auch nicht.
Das war schon wieder ein ganzes Bündel toller Musik. Und dann gibt es doch immer wieder eine Platte, die mir doch noch mehr nahe geht als die anderen. In dieser Woche ist das die neue CD von LIZZ WRIGHT „Grace“. Folk, Soul, Jazz, Gospel, alles drin und doch nichts von dem dominant. Ihr warmes Timbre bestimmt den Klang ohne die Instrumente zu bedecken. Im Grunde ein Album mit Cover-Versionen, ausgesucht von ihr und Produzent Joe Henry, die ein breites Spektrum des ‚jetzt noch nicht‘ Great American Songbook aufzeigen. Ob im Original von Allen Toussaint, Ray Charles oder Bob Dylan, selbst der und die geübte HörerIn erkennt die Originale eher am Text. Sie macht sich die Songs wirklich zu eigen, ruhig, selbstsicher und mit, wie der Titel schon sagt ‚Grace‘.