Ohrenschmauch
Von Günter, 22.11.2017
CORRONCHO/ JOHANNA BORCHERT/ SIGRID MOLDESTAD/
Heute spiele ich eine spanische Eröffnung. Genauer gesagt eine kolumbianische in spanischer Sprache. Phil Manzanera, auch bekannt als Stamm- Gitarrist von Roxy Music, kann auch im Urlaub die Hände nicht still halten. Mit einer sehr grossen Mannschaft nicht nur südamerikanischer Freunde (u.a. Robert Wyatt an der Trompete…) beschreibt er die Odyssee der beiden CORRONCHO auf „2“ von Cartagena zu ihrem Traumziel New York. Weil ohne Navi, biegen die beiden falsch ab und müssen erst einmal Südamerika umrunden, wobei sie aus jedem Land einen typischen Song mit humorigen Texten, die zum Glück nicht absolut politisch korrekt sind, beisteuern. Dazwischen auch mal Tracks, die auf einer späten Manzanera Platte zu finden sein könnten. Also bitte das Ganze nicht zu ernst nehmen und lieber grossen Spass haben an der musikalischen Vielfalt, dem Humor und der handwerklichen Finesse aller Beteiligten.
Von purer Lebenslust zu einer deutlich komplexeren Angelegenheit. Mit ihrem 3. Album „Love or Emptiness“ wagt sich JOHANNA BORCHERT sehr weit und sehr experimentell in den Bereich Pop. Im Jazz ausgebildet beschreibt die Pianistin und Sängerin ihr sehr eigenes Bild der Welt und des Umgangs der Menschen miteinander. Zum Teil mit ungebügelten Klängen auf schleppendem Rhythmus, oder hymnisch und harmonisch auf geradem Beat und dann eine Ballade mit tanzbarem Mittelteil. Einen Song aus dem Album einzeln zu hören macht fast keinen Sinn. Die gehören in exakt dieser Folge zusammen, schliessen perfekt an oder bauen aufeinander auf und ergeben erst im Zusammenhang ein wirklich schlüssiges Bild. Unbedingt Recht hat sie mit der Aussage, dass Jazz im Wesentlichen nicht die Musik ist, sondern die Einstellung.
Noch eine ziemliche Exotin. SIGRID MOLDESTAD veröffentlicht mit schöner Regelmässigkeit im Norden Europas neue Platten. Meist mit eher traditioneller Musik, mit „Vere her“ liefert sie eine sehr ausgewogene Singer / Songwriter-Platte ab. Überwiegend mit akustischen Instrumenten eingespielt, an der einen oder anderen Stelle mit elektrischer Gitarre markiert, 11 eigene Songs, 1 instrumentales Traditional und ein Song von Sandy Denny. Rundherum gelungen.
Wer lange und vergebens auf ein neues Album der Average White Band gewartet hat, kommt an den HAGGIS HORNS nicht vorbei. „One of these Days“ ist deren 4. Album in gut 20 Jahren. Mit GastsängerInnen und für mehr Schärfe an den Saiten mit Dennis Coffey. Ob funky Instrumentals, Slow Burner mit wohlgesetztem Gesangsvortrag oder dem Hip Hop Einschlag von MC Doc Brown, diese Herren erfinden ihre Songs selbst, bleiben dabei nicht in der Funk-Vergangenheit stecken und finden für jedes ihrer Alben den richtigen Sound zur rechten Zeit. Kommen dabei ganz ohne Computer-Programme aus und geben reichlich. Dabei sind sie Schotten!
Mit programmierten Downbeats unter asiatischen Harmonien hat er seine Karriere gestartet. Schon auf seinem letzten Studio-Album „One Zero“ hat er einen Teil seiner frühen Songs mit ‚Band‘ neu eingespielt, auf dem aktuellen „Live at Ronnie Scott’s“ gibt es diese akustischen Versionen in Live und ohne doppelten Boden. Mit 2 akustischen Gitarren, Tabla, Bambus-Flöte, Cello und Tasten plus 2 Sängerinnen entwickeln die 10 ausgewählten Titel wohl gerade ohne den Beat-lastigen Untergrund einen ganz anderen, sehr berührenden Charme. Es ist schön zu hören, dass m/f mit Computern und den raffiniertesten Apps und Plug-Ins tolle Musik machen kann, dass aber das direkte Zusammenspiel mehrerer Beteiligter an konventionellen Instrumenten noch ganz andere kreative Umsetzungen möglich macht.