Von Günter, 12.05.2021

MARTIAL SOLAL/ SARAH VAUGHAN/ SECRETS OF ELEMENTS/ LES ENFANTS SAUVAGES/ GABRIELE MUSCOLINO

Martial Solal – Sein letzter Auftritt

Zum Start in dieser Woche 2 CDs, die zwar aus dem gleichen Fundus schöpfen, deren Interpreten jedoch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Da ist zunächst der Mitschnitt des letzten Konzertes eines der Grossmeister des europäischen Jazz. MARTIAL SOLAL beendet mit „Coming Yesterday (Live at Salle Gaveau 2019) seine Pianisten-Karriere. Vorwiegend Themen aus dem Great American Songbook, die er auf seine ganz eigene Weise interpretiert, besser, an denen er sich abarbeitet. Er zerlegt die Harmonien, fragmentiert Rhythmen, improvisiert frei, blendet die Melodie wieder ein, nur um sie noch einmal ‚rückwärts‘ anzuschauen und in anderer Tonart / Tonlage neu zu formulieren. Das ist Arbeit, oder nach seinen Worten das, was seiner Herangehensweise an ‚Kunst‘ zugrunde liegt. Wow!


Ganz anders der Klang von SARAH VAUGHAN „The lost Recordings“ (Live at the Berlin Philharmonie 1969). Begleitet von Johnny Veith (p), Gus Mancuso (b) und Eddy Pucci (dr) zeigt sie in den beiden Sets vom selben Tage auf Doppel CD die unglaubliche Wandlungsfähigkeit ihrer Stimme. Ob ‚Tageshits‘ der Zeit, Jazz Schlager oder intime Balladen, die Virtuosität mit der sie ihre Fantasie einsetzt um ihre technischen Fähigkeiten und die aussergewöhnliche Bandbreite ihrer Tonhöhe zu nutzen, ist absolut beeindruckend. Die Combo agiert dezent und feinfühlig, trägt sie elegant bis swingend durch die insgesamt 20 Titel. Nach 50 Jahren erstmals in Gesamtlänge aufgelegt, schade, wenn das unseren Ohren vorenthalten geblieben wäre.

Zurück ins Hier und Jetzt. Das passendste Etikett für „Chronos“, das neue Werk von Johann Pätzold der als SECRETS OF ELEMENTS firmiert, ist wohl Neo-Klassik. Soll heissen für simple Ambient- oder Chillout-Vergleiche viel zu Filigran und zu sehr vom Hang zur Perfektion geprägt. Zu den vielfältig ausgeführten Sounds elektronischer Klangerzeuger gesellt sich als Führungsinstrument das Klavier, das minimalistische Themen wiederholt und durch die Harmonien schleust. Den einen oder anderen Track trägt ein perkussiver Rhythmus, oder eine Stimme erhebt sich aus dem Hintergrund. Alles präzise kalkuliert und wohl dosiert.

Les Enfants Sauvages – Wilde Kinder

Die wilden Kinder, LES ENFANTS SAUVAGES , sind drei junge MusikerInnen, die mit Drums, Gitarre, Elektronics und Stimme eine so ausgesprochene eigensinnige wie auch eingängige Musik erzeugen. Zarte, zerbrechliche Harmonien, die auch schon mal in einem heftigen Anfall von Krawall enden. Den gewöhnlichen Ablauf von Chorus-Refrain usw. lassen sie gern aussen vor, entwickeln ihre Songs von durchschaubar zu Beginn gern zu ‚wie hat das noch mal angefangen?‘, können flotte Beats zum Tanzen oder auch fast konservativ Blues-angehauchtes. „LES“, frisch und spannend!


Gabriele Muscolino – Poesie und Kammermusik

Zum Schluss was ganz Schönes, Leichtes. Singer/ Songwriter GABRIELE MUSCOLINO hat die 10 Titel für sein neues Werk für ein Kammermusik-Ensemble arrangiert. Seine ausgesprochen poetischen Texte (liegen in englischer und deutscher Übersetzung bei!) trägt er mit gebremster Energie vor, wird dabei von Cello, Violine und Akkordeon begleitet und spielt selbst Bouzouki. Die Melodien lehnen sich erkennbar, aber nicht zu offensiv an die heimische Folklore an, die gewählten Tempi und die Art des gesamten Vortrags wecken bei mir Erinnerungen an Herrn Branduardi. Remember?


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

Beiträge 2021