Von Günter, 02.03.2022

RAUL MONTESINOS/ DOMINIK EULBERG/ DANIEL BENYAMIN/ METRONOMY/ AVENTURA QUARTETT/ JESSICA DE BOER/ SIGURD HOLE/ TOKUNBO

Kurzfassung: Einem der frühesten Helfer, den Flamenco als eine eigenständige Kunstform zu etablieren, widmet RAUL MONTESINOS seine „Homenaje a Silverio Franconetti. Neben exzellenter Gitarren-Arbeit der zwei im Wechsel agierenden Begleiter, muss m/f allerdings einen Zugang haben zu der zelebrierten Stimmarbeit. Schwierig, aber gross.

Und jetzt 3 über einen Kamm. Wer anderer Meinung ist, schiebe die Worte auf meinen zunehmenden Alters-Starrsinn, aber ich bin mittlerweile ziemlich müde von der ewig neuen ‚Gebraucht-Musik‘. Von DOMINIK EULBERG’s neuem Werk ‚Avichrom‘ reicht mir der eine Track Hörmuster. Gefällige Melodieführung mit ein wenig Klangtasten-Spielerei und auf jeden Fall sanftem Groove. Ist für mich nicht weit von Wellness-Musik.

DANIEL BENYAMIN, vor nicht allzu langer Zeit hochgelobter Songschreiber für Sea & Air kommt mit „Eral Fun“ um die Ecke. Ich frage mich, gibt es da keinen Produzenten, der ihm sagt: „Hör mal, das gab es alles schon mal, vor ca. 35 Jahren. 80er Jahre Band-Sound, Riffs, Rhythmen.. Oder sind sein Publikum und die Geldgeber einfach zu jung?

Von METRONOMY habe ich im Lauf der Jahre einiges gehört. Geschickt gestaffelte Sounds, eingängige Harmonien, gut gebastelte Rhythmen, allerdings hat mich davon nie etwas ‚richtig angefasst‘. Auch auf „Small World“ bleiben sie auf der ‚Nummer Sicher‘ Spur, immer im Bereich des Erwartbaren. Schön, rund, gut gesetzt. Für mich geht’s nach dieser Grenze erst los.

Vielleicht gibt’s deshalb hier mehr Jazz in letzter Zeit. Da schrecken die Bezeichnungen verkopft, elitär oder Kunstkacke die Beteiligten nicht ab. Die ‚probieren‘ sich und die Musik aus. So auch das AVENTURA QUARTETT, mit Sax, Bass, Drums und Piano zelebrieren sie die unmittelbare Ensemble-Kommunikation, und wenn Live nicht geht, dann eben im Studio. In den 7 Titeln auf „Soul & Mind“ präsentieren sie wohlklingendes gemeinsames Spiel, intensive Soli und juvenile rhythmische Lebendigkeit, die ein/e FussballerIn als Tanzmusik beim Dribbeln nutzen könnte (gerne zitiert!).

Nur, weil m/f jung ist, muss m/f sich keine alten Hüte aufsetzen, um akzeptiert zu werden. Das weiss JESSICA DE BOER, die auf ihrer 1. CD gleich mit einem ganzen Bündel raffinierter und intelligenter Songs aufwartet. Begleitet von Gitarre, Bass, Keys und Drums und Perkussion singt und scattet sie durch farbenfrohe Harmonien und komplexe Strukturen. „Grow“ zeigt eine aufstrebende junge Frau, die ihren Stil, ihre Ausdrucksform gefunden hat, ihre Ideen aus diversen Töpfen und Fässern destilliert und zu einem sehr eigenen Cocktail verarbeitet.

„Roraima“ ist der nördlichste Bundesstaat Brasiliens. Heimat der Yanomami und anderer indigener Völker des Amazonas-Beckens. Die faszinierende Geräuschkulisse des Urwalds nimmt Bassist SIGUR HOLE als Grundlage für die Komposition dieses Album. Aus der Biophonie, dem Gesamtklang aller Geräusche dieser spezifischen Region entwickelt er mit seinen KollegInnen eine faszinierende Sinfonie aus Natur, nachkomponierten Tonfolgen und Inspirationen. Ungeheuer. Ungeheuer schön!

Auch TOKUNBO beweist , dass m/f traditionelle Songwriting Tugenden nicht als Vorlage, sondern als Sprungbrett betrachten sollte. Keines ihrer beiden Vorgänger-Werke ist so ausgegoren und auf den Punkt wie „Golden Days“ Griffige Songs, treffend sparsam instrumentiert, arrangiert und unangestrengt, trotzdem sehr emotional gesungen. Eine derart gelungene Produktion (Musik UND Sound) braucht für das ultimative Klangerlebnis nicht unbedingt Vinyl. Gibt’s aber trotzdem.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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