Ohrenschmauch
Von Günter, 10.08.2022
CATHRIN PFEIFFER/ KETIL BJORNSTADT/ CANTODISCANTO/ LOLA KIRKE/ KOKOROKO/ ART MOORE/ ROOFMAN
Die Ausnahme-Akkordeonistin CATHRIN PFEIFFER hat die ‚auftrittsfreie Zeit‘ genutzt und eine CD eingespielt mit 21 Miniaturen. Sehr kurze und längere, mit poetischen Titeln, die schon beim Lesen einen Eindruck vom Inhalt vermitteln. „Quantuum Mobile‘ enthält unaufgeregte, wie Träume in Musik gegossene kleine Fantasien, die zum Entspannen und zur Ruhe kommen einladen.
Genauso allein präsentiert sich KETIL BJORNSTADT auf seiner „New Morning“. Ein Konzert-Mitschnitt ohne Zuschauer aus April 2020, in dem er 22 seiner Kompositionen, nicht alle neu, in ‚einem Rutsch‘ miteinander verbindet. Wechselnd zwischen deutlich vorkomponierten Melodien und freien Assoziationen, zwischen Improvisation und klassischen Vorbildern, raffinierten Tonfolgen und wundervollen Melodien, bewegt er sich damit in der weiten Zone zwischen Herrn Jarretts ‚freiem Flug‘ und der Wohlklang-Verliebtheit des Herrn Einaudi. Das für ein ‚Konzert im Stream‘ aufgezeichnete Werk kommt als Doppelpack mit beigelegter DVD.
Mit Instrumenten aus der ganzen Welt und einem Dutzend Gästen aus dem Mittelmeer-Raum erschaffen CANTODISCANTO eine bunte Klangwelt, die von italienischen Canzones über südamerikanische Rhythmen zu portugiesischer Sprache und Fado Feeling reicht. Sag wieder mal nicht World Music, wenn schon, dann eher Ethno-Pop. Traditionelle akustische Instrumente und dafür ausgelegte Melodien zusammen mit der bunten Klangerzeuger-Ausstattung laden zur Erkundungstour ein.
Da ist die Beschreibung eindeutig. LOLA KIRKE, Tochter des langjährigen Free und Bad Company Drummers Simon Kirke, fällt mit ihrer Musik etwas weiter vom Stamm. „Lady for Sale“ ist bestproduzierter Country-Pop mit stimmgewaltiger Sängerin, die auch inhaltlich einiges zu sagen hat. Frau muss nicht unterwürfig oder angepasst sein um die Chance zu nutzen ‚ihr Ding‘ zu machen. Locker, luftig, freigeistig, nicht brav.
In 2018 sind sie mir zum ersten Mal begegnet, 2019 gab es eine 12Inch, jetzt endlich ein ganzes Album. „We could be more“ ist KOKOROKO’s Aussage zum Thema afrikanische Basis und europäische Weltsicht. Hauptsächlich auf den Grundlagen von Afrobeat und Highlife erarbeiten sie ihre Musik. Mischen dazu ihre Vorlieben für Soul und Jazz und, obwohl das Kollektiv schon aus 8 Personen besteht, nehmen sie noch passende Gäste an Bord, mit denen sie die Komponierten Motive und Harmonien instrumental weiter ausdehnen. 15 Tracks in knapp auf LP passenden 50 Minuten, so abwechslungsreich wie ein Sampler, so homogen, wie es nur ein sehr gut aufeinander eingestelltes Ensemble auf die Reihe kriegt. Unbedingter Tipp für alle, die nicht unbedingt einen simplen 4er Takt brauchen.
ART MOORE ist keine Person, sondern das Trio aus Sängerin Taylor Vick und den Bandkollegen Sam Durkes und Trevor Brooks. Die drei kennen sich schon lange, haben sich aber erst im vergangenen Jahr zu gemeinsamer Arbeit entschlossen. Kurze Geschichten mit liebevollen Arrangements aus konventionellen und synthetischen Bestandteilen mit einer Sängerin, die ein tolles Gespür für die jeweils passende Gesangslinie zeigt. 10 intelligente Songs im weiten Feld zwischen Indie, sanftem Pop und erkennbarer Elektronik. Leichte Kost mit Tiefgang und gelungener ‚alternativer‘ Produktion.
Ich werbe hier ungern für ‚nur‘ digitale Veröffentlichungen, aber diese muss sein: ROOFMAN mit der Single „Fly off, fall down, come back“. 8 Minuten eine schöne Erinnerung an ‚Wish you were here‘ trifft Tito & Tarantula. Und ein langes Gitarrensolo gibt’s auch, gespielt von Rhett Schull. Da schau ich doch gern mal in den Rückspiegel.