Von Günter, 28.09.2011

CLAUDIO RODITI/ TIM MAYER/ MARC COPLAND & JOHN ABERCROMBIE

Definitiv handgemacht!

Mit Papst, Piraten und Polit-Talkshows will ich hier keinen Platz verschwenden, aber es juckt mich schon, etwas populistisches dazu zu sagen, wenn selbst HARALD SCHMIDT’s Show so Flach ist, wie die Bildschirme, über die sie flimmert.


Weniger kann mehr sein

Weit mehr Tiefgang zeigt die neue Platte des brasilianischen Trompeters CLAUDIO RODITI „Bons Amigos“. Im Quintett mit Gitarre, Piano, Bass und Drums präsentiert er drei eigene und sieben fremde Kompositionen, allesamt von Landsleuten komponiert. Die Arrangements für die erlesen ausgewählten Titel (E. GISMONTI, E. ELIAS, T. HORTA, A.JOBIM..) siedelt er in der Grauzone von relaxtem Bossa, kribbelndem Samba und modernem, sehr eingängigem Jazz an. Dass die ausgewählten Musiker auch ausgeklügelte rhythmische Figuren und komplexe Harmonien ohne Stress (für sich oder die Hörer) in fließende, harmonische Klänge umsetzen, darf m/f bei einem großen, wie Herrn RODITI sicher erwarten. Besonders angetan hat es mir Gitarrist ROMERO LUBAMBO, und wenn der Chef dann mal singt, kann er sich durchaus mit ALDO ROMANO messen.


Frankreich’s Antwort auf Pink?.

Im typisch dynamischen Sound des JAZZ LEGACY PRODUCTION Labels präsentiert sich der Tenor-Saxofonist TIM MAYER auf seiner aktuellen CD „Resilience“. Außer einem eigenen Titel wagt er sich an Stücke von KENNY DORHAM über FATS NAVARRO zu CHARLES TOLLIVER und THELONIOUS MONK. Also im Wesentlichen einmal durch die Jazz-Historie der etwa 50er bis 70er Jahre mit Standard-Trio plus diversen Gästen an Blasinstrumenten. Er hat für sich einen schönen, warmen Ton gefunden, gibt auch den anderen Instrumenten genügend Raum, sodass auf „Resilience“ zwar das Rad nicht neu erfunden wird, die Platte aber mit hochklassigem, intelligent und vielseitig ausgeleuchtetem modernem Jazz alter Herkunft gefüllt wird. Es macht einfach Spaß, solchen Musikern bei der Arbeit zuzuhören, zu erleben, wie sie aufeinander reagieren, eingehen und dabei doch immer wieder auf das gemeinsame Thema zurückkommen.


Soviel feinen Jazz kann ich nur noch toppen mit weniger. MARC COPLAND am Piano und JOHN ABERCROMBIE an der Gitarre haben eine Duo Platte gemacht: „Speak to me”. Das tun die beiden auch. Mit ihren jeweiligen Instrumenten. Sehr konzentriert, absolut intensiv und sensibel aufeinander eingehend. Kein überflüssiges Geschwätz, wohl gewählte Worte in weltweiten Zusammenhängen. Wieder eine von meinen Lieblings-Musiken, die sich überhaupt nicht für 30 Sekunden Hörproben eignen. Für einen auch nur ungefähren Eindruck braucht es mindestens einen Titel ganz.
Zum großen Aufgebot. DWEEZIL ZAPPA’s „Return oft he Son of..“ mit seinen Interpretationen favorisierter Songs (?!) seines Vaters gibt es als 2er CD ja schon seit einem Jahr. Dieser Hinweis sei gestattet, in den nächsten Tagen kommt sie für die Freunde des „Schwarzen Goldes“ als 3er LP. Der und die Fan hat die Tracks natürlich alle (vom Vater!), aber der Nachwuchs, samt Band ist gut genug trainiert, sie respektvoll und doch durchaus eigen neu zu interpretieren.
In Frankreich bereits in der Spitze der Charts, mit ihrem 3. Anlauf gelingt es MADEMOISELLE K. ihre unbändige Energie und ihren punkigen Habitus in eingängige, frische Pops-Songs umzusetzen. Geradlinig, relativ einfach aber ganz sicher ohne die angelsächsische Radio-Politur liefert sie mit „Jouer dehors“ ihren bisher besten Wurf ab.

Sehr ungewöhnlich für ein Produkt des CHINCHIN Labels, es macht keiner der „üblichen Verdächtigen“ mit, es gibt keine programmierten Rhythmen und auch keinen Electro-Swing. JEN KEARNEY heißt die Sängerin, die mit umfangreichem Musiker-Aufgebot ihr „To the Moon“ vorstellt. Musikalisch ausgesprochen vielseitig, von souligen Balladen zu Latin-Jazz beeinflussten Nummern in großer Besetzung und dabei nicht beliebig. Der rote Faden, der das Ganze in Linie hält ist ihre Stimme, bzw. ihr Können als Interpretin. Auch hier keine aufwendige „Post Production“, die auch den besten Song für den Einsatz im Format-Radio plättet, sondern handgemachte Musik mit nachvollziehbaren harmonischen Wendungen, die den emotionalen Einsatz der Stimme unterstützen oder auch mal auffangen. Und einfach gute Songs, ich meine Songs, mit mehr als 2 Grundtönen, dazu ein dynamischer Aufbau. Ok, ich bin altmodisch, manchmal gern.

Na Dann. Tschüss! i.m.trend@muenster.de

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Günter Günter

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