Ohrenschmauch
Von Günter, 08.02.2012
PUBLIC LOVER/ AARON/ ALEXANDRA LEHMLER/ DOTSCHY REINHARDT/ WORLD ROUTES–ON THE ROAD
Es gibt wieder einiges zu berichten. Ohne auch nur 1 Platte zu erwähnen. Zur OSMO Falle hat sich ARNO vergangene Woche geäußert, ich füge noch sinngemäß den alten Indianer hinzu: Erst wenn die letzte Baulücke / Brachfläche geschlossen und beseitigt ist, werdet Ihr merken, dass zwischen Konsumtempeln und USVs (Großfahrzeuge für Kleindenker) kein Platz und keine Zeit mehr für das Leben geblieben ist.
Die Zeit, Dank dem noch überlebenden Bürgerfunk, zum Beispiel, um am Donnerstag (9.2.) um 21h ANTENNE MÜNSTER zu hören. KARL WORTMANN präsentiert dort, wie jeden 2. Do. im Monat, seine Entdeckungen aus den kreativen Nischen der Musikwelt. NICOLA CONTE und GABIN aus der jazzigen Lounge-Kiste, z.B. die SOUL SESSION mit unserer favorisierten Sängerin BAJKA und einige afrikanische Überraschungen. Bunter, spannender, interessanter kann Radio nicht sein.
Romantisch und schön fängt es heute an. PUBLIC LOVER heißt das französische Duo. „A broken Shape to you“ ist bereits deren 3. Werk. Voll elektronisch, jedoch ohne House- oder Techno-Gelüste. Klar strukturierte Songs, dezent programmiert und entsprechend verhalten produziert. Er erledigt das Technische mit viel Fantasie und sie singt. Ein wenig träumerisch vielleicht, aber einfach schön.
Auch AARON kennen das Liederbuch der jetzt nicht mehr ganz so jungen Vergangenheit ziemlich gut. Ebenfalls Duo, ebenfalls Franzosen. Sie fußen zwar eindeutig im Hier und Jetzt, „Birds in the Storm“ erinnert mich aber stark an die frühen bis mittleren SIMPLE MINDS, allerdings mit weniger Wut im Bauch. Nicht so sehr vom Sound, als vielmehr resultierend aus der Stimmung des Albums.
Dieser Platte kann ich in wenigen Zeilen nicht gerecht werden: ALEXANDRA LEHMLER „No blah blah“. Saxofonistin aus Deutschland, mit eigener Band plus Gästen und bereits 3. Platte. Moderner Jazz in Bandbreite von weltmusikalischen Einflüssen über die große Fusion Phase der 70er / 80er bis zu beinahe poppig groovenden Untergründen. Komplexe Rhythmen spielerisch leicht, Riffs mit hohem Wiedererkennungswert und dazu und darüber ihr warmer, leicht vibrierender Ton. In ihren durchweg selbst oder mit Kollegen geschaffenen Titel verarbeitet sie fast alles, was wir in den vergangenen 30 Jahren an zeitgemäßem Jazz lieben gelernt haben. ECM, MAHVISHNU oder ZAWINUL / SHORTER (aber mit weniger „Rock / Pop-Habitus“), obwohl sie zu deren wichtiger Zeit noch gar nicht auf der Welt war, verschmelzen sie und ihre Band zu einer Mischung, die zwar nicht auf den ersten Blick und leicht zugänglich ist, dafür mit jedem weiteren Hören neue Ebenen, Ansätze und damit größeres Hörvergnügen bereitet. Eine Wundertüte mit schönen, manchmal wilden, Melodien und Rhythmen, die das Ohr gefangen hält.
Sehr viel ruhiger, melancholischer klingt „Pani Sindhu“, der ebenfalls bereits 3. Platte von DOTSCHY REINHARDT, Sängerin aus der umfangreichen DJANGO REINHARDT und Familie Nachkommenschaft. Nach eigener Aussage ist dies ihr Forschen nach den Wurzeln der SINTI Musik. Die liegen bekanntlich in Indien. Trotzdem erinnert mich ihr Gesang mehr an un-verbogene, eher brasilianische Naturstimmen. Die entsprechende Stimmung ist deshalb auch nie weit und das indische Moment findet sich eher in gut eingearbeiteten Sitar-Klängen und Perkussion. Sehr gut gefällt mir, dass die „Gipsy Swing“ Tradition gänzlich außen vor gelassen wird, dafür Scat- Passagen und nicht durch das Tempo sondern durch die Tonfolge bestechende Gitarren-Passagen und natürlich DOTSCHY’s weiche, warme Stimme das Klangbild beherrschen. Und, bei mir klar, ein paar wunderbare Balladen.
Nur, weil ich weiß, dass es in Münster Freunde für solche Musik gibt, wage ich es überhaupt ein paar Sätze über „WORLD ROUTES-ON THE ROAD“ zu verlieren. Titelgebend ist die regelmäßige Sendung bei BBC 3. Seit dem Jahr 2000 gibt es die Reihe, für die emsige und motivierte Reporter sogenannte Field Recordings in aller Herren Länder vornehmen. 30 Tracks auf 2 CDs aus Ländern, mindestens einmal rund um die Welt, vor Ort aufgenommen, authentisch, ohne beigefügten Pop Faktor und gerade deshalb, zwischen gefährlich hochfrequenten Frauenstimmen, unexakten Sätzen erstaunlicher Blasinstrumente und zum weinen schönen Liedern aus der Folklore, ein ultimativer Beweis dafür, dass Musik weit mehr ist, als das, was m/f in besch..eidener Qualität, am liebsten gegen Geld, als WARE, auf dem Telefon speichern kann: Na Dann. Tschüss! i.m.trend@muenster.de