Ohrenschmauch
Von Günter, 11.04.2012
MUSIKaPOTHEKE/ RADIO GRENZENLOS/ GLOBAL JOURNEY/ CATHRIN PFEIFER/ ADDISON GROOVE/ WES MONTGOMERY/ MANCINI AND THE CREEPERS/ ELIO VILLAFRANCA & ARTURO STABLE/ SUPER700/ ALICE RUSSELL & QUANTIC/ SHOGUN ORCHESTRA
Für einen ordentlichen Kommentar zur ‚Tyrannei der Masse‘ reicht heute der Platz nicht. Ich war mir jedenfalls nie sicher, ob sich 50 Mio. ELVIS Fans nicht doch irren könnten. 25.000 Daumen hoch sind im Vergleich bestenfalls eine relative Mehrheit.
Auf geht’s! Ab sofort haben die Zahlen 1,2 und 3 wieder wirkliche Bedeutung! Am 1. Samstag im Monat (aktuell 7.April) hat die MUSIKAPOTHEKE geöffnet, am 2. Donnerstag (aktuell 12. April) sendet ANTENNE MÜNSTER ab 21.00h RADIO GRENZENLOS mit KARL WORTMANN und einem kleinen Teil der besten Musik, die m/f sonst wohl nirgendwo im Radio hört (M. KIWANUKA, Y’AKOTO, CEU u.v.a.) und am 3. Dienstag (aktuell 17. April) präsentiert dort (gleiche Welle, gleiche Stelle) MANFRED BEHLAU seine wohl ausgesuchte GLOBAL JOURNEY. Da gibt es u.a. die neue BLACK SEEDS zu hören, MARIANNE FAITHFULL, CHARLOTTE GAINSBOURG und die Akkordeon-Virtuosin CATHRIN PFEIFER mit Band Notiert?
Mit der fingerflinken Frau beginne ich auch gleich. „Pousse Blues Waltz“ heißt das Album, der Titel reißt zumindest den Inhalt korrekt an. Nicht brave dreiviertel Takte oder ‚Big Easy‘ Melancholie, sondern modernes Akkordeon-Spiel, das weder komplexe Rhythmen noch jazzige Arrangements auslässt. Kein Gesäusel, sondern Ernst zu nehmende musikalische Auseinandersetzung.
ADDISON GROOVE ist das aktuelle Pseudonym von ANTONY WILLIAMS. Schon lange unter anderen Namen mit 12 Inches in der Club-Szene erfolgreich. „Transistor Rhythm“, der Titel des Albums, ist gut gewählt. Dubstep nennt sich das, zusammengesetzt aus Resten von Breakbeat (mit weniger Break) und technoiden Keyboard Sounds. Intelligent und vertrackt, mir fehlt (falscher Jahrgang…) etwas der Zugang.
Für mich leichter nachvollziehbar ist die jetzt erstmals veröffentlichte CD von WES MONTGOMERY „Echoes of Indiana Avenue“. Zusammengesetzt aus Live- und Studioaufnahmen aus den Jahren 1957/58. Tontechnisch nicht immer so perfekt, wie m/f ihn kennen kann, aber handwerklich voll auf der Höhe. Ich glaube sein Spiel mit winzigsten, kurzen Akkorden auf der Gitarre macht ihm bis heute niemand nach.
Eine sehr eigenständige Mischung aus Trip Hop, Soul, sparsamer Elektronika und gelegentlich jazzigen Elementen haben MANCINI AND THE CREEPERS zusammengebraut. Die soulige Stimme von MANCINI bildet die Bindeklammer für experimentelle (nicht schräge!) Beat-Konstruktionen, angedeutete Harmonien und Fetzen aus Untergrund Hip Hop. Einige Ideen von TRICKY oder frühen PORTISHEAD anders weiter gedacht.
„Dos Y Mas“ von ELIO VILLAFRANCA und ARTURO STABLE zeigt da eine ganz andere Welt. Piano und Perkussion, mehr nicht. Als Kubaner mit dem karibischen und afrikanischen Erbe der Musik mehr als vertraut, jedoch auch wohlgeübt im Jazz zelebrieren sie den Klang ihrer Instrumente. Organisch miteinander harmonierend, rhythmisch ausgefeilt, das ist Jazz. Nur eigenes Material, weltoffen, aber mit feiner afro-karibischer Note.
SUPER700’s „Under the No Sky“ gefällt mir wahrscheinlich so gut, weil sie so gelungen „Out of Time“ klingt. Moderne Produktionsmethoden, mit allem was es heute so braucht; dazu etwas quietschige Gitarren (gelegentlich) und Melodien, die gut aus den 60ern stammen könnten. Mal folkig sanft, dann wieder ein deutliches Rock-Riff. Wunderbar zwischen allen Stühlen. Dazu eine Sängerin, die nicht versucht sich zu profilieren, sondern ihre Stimme ganz im Gusto der Songs anwendet. Die hat deutlich mehr verdient, als diese 5 Zeilen!
Sowohl ALICE RUSSELL als auch QUANTIC, mit oder ohne seine COMBO BARBARO haben auf dieser Seite schon ihre Lorbeeren abgekriegt. Aber noch nie zusammen. Auf „Look around the Corner“ mischen sie ihre Vorlieben (sie: Moderner Soul, beliebte Gastsängerin, er: Latin-Freak mit verschiedenen Projekten und gern gebuchter Remixer), und heraus kommt ein sehr ungewöhnlicher Mix aus Soul, ganz in der Tradition von MOTOWN etc. und karibischen Rhythmen. Frisch, abwechslungsreich und ziemlich einmalig.
Bevor es nächste Woche Worte zum neuen Werk der BLACK SEEDS gibt, stelle ich heute das (ein?) Seitenprojekt des Band-Mitglieds LUCIEN JOHNSON vor. Aus Neuseeland (s.a. FAT FREDDY’S DROP…).Mit seiner fast Big Band SHOGUN ORCHESTRA bietet er auf 10 Tracks eine super eingängige Mischung aus diversen afrikanischen Stilen, gemischt mit Einflüssen aus Haiti und komplett instrumental. Flinke Highlife Gitarren-Linien, heftigere Afro-Beats und pfiffige Bläsersätze. Da zitiere ich den Waschzettel ausnahmsweise einmal gern: „M/F stelle sich vor, FELA KUTI, MULATU ASTATKE und ein haitianischer Voodoo Priester auf einer sehr entspannten Reise durch Neuseeland.“ Und wenn der Rhythmus schon nicht deutlich aus Afrika oder Haiti stammt, dann schleicht gerade SHAFT oder einer seiner Kumpels durch den unbeleuchteten Hintergrund. Ein solches Album braucht keinen Titel, das ist unverwechselbar!
Das alles kann m/f ansehen und anhören und sogar kaufen in jedem gut geführten Plattenladen, wahrscheinlich auch im Internet, aber ganz sicher ab 7. April (der Samstag vor Ostern!) und dann an jedem 1. Samstag („Langer Samstag“) im Monat von 11.00h bis 15.00h in der BREITEN GASSE 1, Anzeigenannahme der NA DANN, wo die MUSIKaPOTHEKE ihre Tür wieder öffnet und noch ganz andere „Schätze“ ans Licht des Tages zerrt. Ich hoffe, wir sehen uns da!
Na Dann. Tschüss! i.m.trend@muenster.de