Ohrenschmauch
Von Günter, 13.05.2020
MARA ARANDA/ JOLA/ JOHN CARROLL KIRBY/ MALCOLM STRACHAN/ FLEVANS/ PRAISE POEMS 7
An die Vorlagen für dieses CD werden sich selbst ältere Zeitgenossen nicht erinnern. „Trobairitz“ heisst das neue Werk von MARA ARANDA. Trobairitz waren das weibliche Gegenstück zu den Troubadouren zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert. Aus dem überlieferten Material dieser kleinen Minderheit (ca. 5%) hat Mara 9 Lieder bzw. Kompositionen ausgewählt, die sie mit kleinem Ensemble in so gut wie möglicher Originalität intoniert. Wenn ich mal davon ausgehen darf, dass der grössere Teil der Musikfreunde bislang von der Existenz dieser Frauen nicht wusste, ist es umso interessanter, etwas über den weiblichen Blick auf Geschichten aus dieser Zeit zu erfahren. Ausführlich belegt und erläutert im umfangreichen Booklet, in spanischer Sprache mit kurzen englischen Zusammenfassungen. Zur Musik: Mittelalterlich wohlklingend und ohne jede Hast oder Eile eingespielt.
Noch eine für historisch interessierte: Gnawa Musik hat schon Brian Jones fasziniert. Hier kommt das Projekt „JOLA – HIDDEN GNAWA MUSIC IN BRUSSELS“. Dort gibt es eine überschaubare Gemeinde marokkanischer MusikerInnen, die diese Tradition praktizieren. In erster Linie auf einem bassig klingenden Saiten-Instrument, Rasseln und Trommeln. Die ‚Songs‘ entwickeln sich meist um eine wiederholte Tonfolge des Saiten-Instruments, dazu gesellen sich die weiteren Klänge und Stimmen. Faszinierende Jam-Sessions (sagt der Popmusiker in mir), genauere Erklärungen und Wissenswertes bietet auch hier das umfangreiche Booklet, zum Glück in Englisch.
Vorwärts ins Hier und Jetzt. JOHN CARROLL KIRBY erfreut uns mit einem sehr entspannten Instrumental-Album. Auf dem Klavier intoniert er kleine Melodien, die er nur leicht variiert und lässt sich dabei von nicht einmal einer Handvoll (addiert) Kollegen begleiten. Sehr dezente Handtrommeln, simulierte Orchester-Instrumente oder ein knarzender Kontra-Bass und das alles in sehr gemächlichem Tempo. Subtil und reduziert, wie der grosse Teil der Veröffentlichungen der Marke Stones Throw, stellt „My Garden“ einen willkommenen Gegenpol zu den überproduzierten Hochglanz-Klängen der Format-Radios dar.
Hier kommen sofort Assoziationen zu den 60er Jahren bei Blue Note auf. Der schottische Trompeter MALCOLM STRACHAN, hauptberuflich mit den funkigen Haggis Horns unterwegs, veröffentlicht das erste Werk unter eigenem Namen. Die 9 eigenen Kompositionen spiegeln seine Vorliebe für den modernen Sound des Jazz der Sixties. Gekonnte Variationen von Melodie und Tempo, gefühlvolle Balladen, Latin Beats und soulige Jazz Grooves, bei denen ihn 2 Mitglieder seiner ‚Heimband‘, 3 weitere Bläser plus Bass und Perkussion unterstützen.
Mit FLEVANS‘ „Accumulate“ wird’s jetzt richtig Funky. Knackige Grooves sind seit jeher sein Gebiet. Neuerdings gibt es auch Texte und damit SängerInnen dazu. Als da wären Laura Vane, die schon auf dem Vorgänger ans Mikrofon durfte, John Turrell und ein gewisser Scooby Jones. 4 To the Floor kann er auch, interessanter aber sind die Tracks mit Song-Charakter, die auf dem Tanzboden-Sound und -Rhythmus der 80/90er aufbauen. Er bastelt keine uniformen Beats, sondern extra tanzbare Grooves, die auch das Fensterputzen beschleunigen helfen.
Für diese müsste ich eigentlich viel mehr Platz einräumen. „PRAISE POEMS 7 mit dem absolut zutreffenden Untertitel ‚A Journey into soulful Jazz and Funk from the 70ies‘. Die Damen und Herren von Tramp Records haben sich für die Nummer 7 selbst übertroffen. 17 bislang eher ungehörte Perlen, die zwischen Vokal-Jazz, relaxten Funk-Grooves und leicht psychedelischen ‚Folk goes….‘ ja wohin denn?‘ Momenten pendeln. Von Ensembles und Künstlern, die selbst dem langjährigen Plattenverkäufer nicht geläufig sind, und denen ein grösserer Bekanntheitsgrad sicher zugestanden hätte. Nun gut, hier sind sie und werden dem und der Interessierten einen wohlklingenden warmen (egal, was das Wetter macht) Sommer verschaffen.
Bisher gab es auf dieser Seite keine namentlichen Nennungen von Plattenhändlern. Es gibt nicht nur die Krake und JPC. Die werden überleben. Wer die vermeiden will, sollte meine Lieblings-Fachhändler-kontaktieren. Green Hell hier in MS, Bongartz in Erlangen (ja, ist weit weg) oder A&O Medien in Düsseldorf. Kann m/f übers Netz erreichen, versenden tun sie flott und haben sicher noch ganz andere Tipps und Qualifikationen als der Autor.