Von Günter, 10.06.2020

SHURA LIPOVSKY/ SLOW READERS CLUB/ YVONNE MWALE/ WENZEL MUTZKE/ SCOTT MATTHEW

Wer bei Musik und Yiddish sofort an Klezmer und oder Giora Feidman denkt, liegt nicht ganz falsch, aber da gibt es noch deutlich mehr. SHURA LIPOVSKY arbeitet seit langem für den Erhalt dieser musikalischen Tradition. Als Sängerin, Chor-Leiterin und Komponistin. Auf dem 2. Album mit ihrem Ensemble Novaya Shira gibt es entsprechend sowohl Überliefertes, als auch eigene Schöpfungen. In den Texten geht es vornehmlich um Themen des menschlichen Umgangs miteinander, die sind zum Glück in Englisch, Französisch und Hebräisch im Booklet abgedruckt. Ihr leicht operettenhafter Gesang wird vom kleinen Ensemble aus Flöte, Violine, Akkordeon, Cello und Piano dezent kontrastiert. Drama, Freude, Verzweiflung, diese wechselnden Stimmungen auf „Malakh“ erschliessen sich nicht im Schnelldurchlauf.

Die 80er lassen grüssen

Ganz anders der SLOW READERS CLUB. Ihr „Joy of the Return“ sollte schon in den Läden zu finden sein. Deren Faszination sind auf jeden Fall die 80er. Ein wenig Smiths, The Sound, New Order (vor der programmierten Zeit..) dabei Melodien und Gesangslinien, die durchaus auch an A-HA erinnern. Die ‚klassische‘ Besetzung, Bass, Drums, Gitarre, Gesang, spekuliert nicht auf knackige Riffs und fingerfertige Soli, sondern produziert einen stringenten, melodischen Rock-Sound. Keine Übungen im Saiten-Wringen, sondern flüssige Harmonien mit fleissigem Bass und gut gewählten Akkorden, flotten Tempi und ernsthaften Anliegen.


Vielseitig und tanzbar

Zu ihrem bereits 4. Album hat sich YVONNE MWALE mehr Zeit gelassen, mehr Einflüsse gesammelt und eine grössere Instrumenten-Palette eingearbeitet. Die afrikanische Abstammung hört m/f der Stimme nach wie vor an, aber der rhythmische Aufbau der CD ist viel weiter gefasst. Karibische Motive, Reggae, Calypso, neben Klängen aus der arabischen Welt. Celli, Oud und Hammond sorgen für die spezifischen Sounds, die sie mit ihrer Art zu singen perfekt abrundet. Neben den gefühlvollen Balladen gibt es jedoch auch viel Tanzbares, das allerdings nicht dem gängigen 4-to-the-floor entspricht. Keine geraden Beats aus der Dose, sondern von einer ‚richtigen‘ Band erzeugter Groove.


Musikalische Familie….

Beginnt mit einer vielleicht nicht beabsichtigten Reminiszenz an ‚Round Midnight‘, entwickelt sich dann aber zu einer ernst zu nehmenden Jazz-Platte. WENZEL MUTZKE, Trompeter in der Formation Moop Mama, legt sein erstes ‚eigenes‘ Album vor. Im Quartett mit Piano, Bass und Drums kann er seiner Leidenschaft für den Cool Jazz frönen. Die perfekt harmonierende Rhythmusgruppe liefert das feingliedrige aber stabile Fundament, auf dem sich Wenzel mit dem Horn entfalten kann, in harmonischen Melodielinien sowie in expressiveren Passagen und Pablo Held am Piano sorgt für einen ebenso spannenden Gegenpol. Ja, Wenzel ist der Bruder von Max, der auf „Spring“ mit 2 gelungenen Balladen stimmliche Unterstützung liefert.


Wenn ein(e) KünstlerIn neue Versionen seiner (ihrer) Songs einspielt sollten sie einen wirklich anderen Ansatz verfolgen. Mein bestes Beispiel ist Joni Mitchell’s ‚Travelogue‘. O.K., SCOTT MATTHEW’s Songs sind in den ursprünglichen Aufnahmen vielleicht etwas zu verhalten, zu ruhig, um mehr Publikum zu erreichen. Auf „Adorned“ hat er eine Auswahl seiner Songs mit mehr musikalischem Background neu eingespielt. Mein MP3 Download klingt nach fast vollständig programmierten Klängen, was für die innigen, beinahe intimen Originale nicht wirklich ideal ist. Die Songs sind immer noch erstklassig, in dieser Form eher zugänglich, und machen es unter Umständen leichter, sich in seine anderen Werke einzuhören. Was unbedingt lohnenswert ist.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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