Ohrenschmauch
Von Günter, 25.09.2024
ROSA MORENA RUSSA/ SCOTT FIELDS STRING FEARTET/ STAV GOLDBERG/ MOBILE ETHNIC MAJORITY/ CHRISTIAN SANDS/ CARWYN ELLIS & RIO 18
Dass mir Musik fehlt, kann ich nicht behaupten. Ein bestimmtes aber variables Lied schon. Der abendliche Tagesbericht des Amsel-Chefs (-Chefin?) vom höchsten Punkt des Viertels fällt seit Tagen aus. Jemand eine Idee, warum?
Weil ich heute mit Latin Music ende, fange ich mit Brasil an. ROSA MORENA RUSSA (Kateryna Ostrovska) hat schon mehrere Platten mit brasilianischen Klängen (Bossa/Samba) veröffentlicht. Mit „Chora Berlin“ widmet sie sich der wohl ältesten ‚Pop‘ Musik des Landes, dem Choro. Gemischt aus europäischer Salonmusik und afrikanischen Rhythmen, gespielt mit vielen HelferInnen aus Hamburg, Berlin und Rio. Von Akkordeon bis Tuba, von Mandoline bis Viola, umfangreiche Ensembles intonieren Melodien von Sehnsucht bis Tanzvergnügen. Kurzweilig.
Ernst wird es mit SCOTT FIELDS STRING FEARTET. Mit Violine, Viola, Cello und Akustikgitarre gibt es 5 lange Kompositionen für dieses Kammerensemble. Zwischen erkennbaren Harmonien, freien Passagen erinnert (nicht Vergleich) mich „Throws“ an die für mich ‚schwierigen‘ Streichquartette von Schostakowitsch, tatsächlich beruhen seine Ausführungen auf den 5 späten Streichquartetten von Beethoven. Klassisch besetzt, jazzig definiert.
Dagegen ist die „Symphony of Water“ des Pianisten STAV GOLDBERG und seinem Ensemble mit Cello, Trompete, Gitarre, Harfe, Bass und Drums exzellent ausgeführte New Age Musik. In 9 Titeln erkundet es in impressionistischer Weise Wasser, das Chaos und Harmonie bedeuten kann, ebenso wie es sich im Jazz verhält. Wohltuende Harmonien, die wie grosse Wellen aus den Lautsprechern rauschen, deren Grollen von Drums und Bass dezent aber unüberhörbar dargestellt werden, verlieren sich in kleinen Rinnsalen am Strand. Die fein abgestimmte Piano/Gitarrenarbeit lockert den zwischendurch wuchtigen Sound durch erstklassige Handarbeit auf.

Eine aus der Galerie Einzelkämpfer. Mario Knapp legt unter dem Projektnamen MOBILE ETHNIC MAJORITY seine mindestens 3. Platte vor. Zwar gibt es HelferInnen an Instrumenten, Idee, Konzept und Umsetzung stammen aus seinem Kopf. Bedingt durch die sparsame Inszenierung klingt „In the beau Jardin“ zunächst etwas spröde, spätestens nach dem 3. Track schleichen sich die meist langsamen Songs in die Gehörgänge. Schemen von Vorbildern, Inspiratoren, tauchen auf, Tonfall und Versmass ein wenig Peter Gabriel, ausgefallener Gitarrensound, die leicht geisterstadthafte Produktion eines Daniel Lanois. Die Vergleiche hinken, musikalisch zeigt er seine sehr individuelle Handschrift aus Pop, besser Rock Musik, wird dabei nie Laut und schon gar nicht anbiedernd. Ein echtes ‚Hör-Album!

Und noch eine vielfältig instrumentierte Jazz-Piano-Platte. CHRISTIAN SANDS bietet auf „Embracing Dawn“ 9 Variationen des Themas Verlust. Er schwelgt dabei mit seinen Kollegen in Sounds, von Vibrafon über Harmonika zum Cello neben der ‚üblichen‘ Rhythmusgruppe plus Gitarre, nie alle im gleichen Track, aber immer alle mit Jazz geschulter Spielweise. Die eingängige Oberfläche verbirgt dabei gern die raffinierte Komposition und das komplexe Zusammenspiel der Kräfte.

Wegen des augenblicklich warmen Wetters zerre ich schnell noch das aktuelle Album von CARWIN ELLIS & RIO 18 aus dem Köcher. „Radio Chevere“ heisst es und ist aufgebaut wie eine Radio-Show. Also Ansagen zwischen den Titeln und die Musik gemischt aus beinahe allen Rhythmen, die auf dem südamerikanischen Kontinent zu finden sind. Locker, lässig, mit gutem Groove, passenden SängerInnen und dazu gehörender Bandausstattung. Diese optimistischen Sounds helfen auch bestens gegen den schon bald aufkommenden November Blues.