Presseausweis
Von Ruprecht Polenz, 16.10.2024
Es wird keine Aufarbeitung...
... der Corona-Politik in dieser Wahlperiode des Deutschen Bundestages mehr geben. SPD und FDP konnten sich nicht darüber verständigen, ob ein Bürgerrat oder eine Enquete-Kommission des Bundestages mit einer Analyse der Pandemie-Politik betraut werden sollte.
Ich halte das für einen schweren Fehler. Zum einen sollte evaluiert werden, was bei der Pandemiebekämpfung gut geklappt hat, was weniger, und wo man über das Ziel hinausgeschossen ist. Besonderes Augenmerk sollte auf die Kommunikation der Maßnahmen und ihre jeweilige Begründung gelegt werden. Auch die Organisation der Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Bund und Ländern sollte kritisch unter die Lupe genommen werden. Nur wenn das alles sorgfältig evaluiert wird, kann man aus den Fehlern lernen und sich für die nächste Pandemie besser vorbereiten.
Fast noch wichtiger finde ich, dass wir breite gesellschaftliche Gespräche darüber organisieren, was die Corona-Zeit mit uns gemacht hat. Wie wir sie erlebt haben. Wie wir uns gefühlt haben. Was wir verstanden haben und wovon wir nach wie vor nicht überzeugt sind.
Die Ausnahmesituation der Pandemie und der Umgang damit hat zu Zerwürfnissen bis in die Familien hinein geführt. „Wir werden uns viel verzeihen müssen“, so ein inzwischen geflügeltes Wort des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn. Er hat Recht. Unsere Gesellschaft braucht Versöhnungsprozesse.
Die „Corona-Schwurbler“ sind inzwischen, ebenso wie viele der „Klima-Leugner“ der rechtsextremistischen AfD auf den Leim gegangen, die mit dieser Es-war-alles-halb-so-wild-Geschichte eine Chance gewittert hat, unseren Staat als diktatorisch zu diffamieren
Aber täuschen wir uns nicht: es sind nicht nur die Corona-Leugner, die das Ganze für eine mittelschwere Grippewelle gehalten haben. Auch andere fühlen sich seitdem der Gesellschaft entfremdet. Dabei spielt die Diskussion über Impfen und Impfpflicht bis heute eine besondere Rolle.
Wenn die demokratische Gesellschaft diesen Menschen kein Gesprächsangebot macht, besteht die Gefahr, dass sie sich von der AfD angesprochen fühlen, die immer bereit ist, Ärger und Wut zu verstärken und gegen „die da oben“ zu lenken.
Wenn schon die Bundesregierung diese Diskussionsprozesse nicht organisiert, könnte man das Thema doch in Münster aufgreifen. Die Volkshochschule, die vielen Bildungsstätten, das Gesundheitshaus, die Kirchengemeinden, die Schulen und, last but not least, die politischen Parteien könnten sich Veranstaltungsformate einfallen lassen, damit die Münsteranerinnen und Münsteraner miteinander über die Frage ins Gespräch kommen: Was hat die Coronazeit mit uns und mit mir gemacht? Was sollten wir daraus lernen? Auch uns in Münster würden solche Verständigungsprozesse gut tun. – Ruprecht Polenz