Von Arno Tilsner, 29.06.2022

Im SPIEGEL dieser Woche, liebe Leserinnen, liebe Leser...

– mit der Unterzeile 'Der Kaltmacher' und einem als Teufel stilisierten Putin auf dem Titel – ist die Geschichte der Deutschen Gasabhängigkeit von Russland seit den 1950er Jahren nachgezeichnet. Nachzulesen ist dort auch, dass gasintensive Industrien wie der derzeit weltgrößte Chemisch-Industrielle-Komplex, die BASF in Ludwigshafen, den Standort (ca. 40.000 Beschäftigte) ohne billiges russisches Pipeline-Gas nicht wie gewohnt weiterführen können.

Was Klima-Demonstrant:innen sich seit Jahren wünschen wird mit dem Versiegen des Gasflusses aus der Russischen Föderation wahr: der gesellschaftliche Verzicht auf die Verbrennung dieses Kohlenwasserstoffes. Gasimporte per Schiff, weiterlaufende Kohle-Kraftwerke, eventuell verlängerte AKW-Laufzeiten sind nur Notnägel, die Deutschlands jahrzehntelangen unmittelbaren Anschluss an russische Gasfelder preis- und mengenmäßig nicht ersetzen können.

Kann vor Ort im eigenen Land gewonnene Umgebungsenergie (Sonne, Wind, Wärme) gekappte Gaslieferungen ersetzen? Vor 8 Jahren (2014) war die technische Entwicklung von Solarmodulen - maßgeblich gefördert durch das deutsche EEG, das die Forschungs- und Entwicklungskosten über den Strompreis auf die Verbraucher:innen umlegte - so weit fortgeschritten, dass sie subventionsfrei andere Energielieferanten in den Schatten stellten. Prompt wurde die nun extrem konkurrenzfähige Technik von der Bundesnetzagentur mit einem bürokratischen Würgegriff gestoppt. Als Energiegewinnung am Ort des Verbrauchs sollte sie den von Industrie und Politik favorisierten russischen Gaslieferungen nicht in die Quere kommen.

Auch wenn es heute, wie der GRÜNE Robert Habeck sagt, 'auf jede Kilowattstunde ankommt' hat sich die Blockadehaltung der ihm unterstehenden Behörde keinen Millimeter bewegt. Habeck empfiehlt, kürzer zu duschen. Die entscheidende Korrektur, Solarenergie zur Selbstversorgung aus dem bürokratischen Würgegriff zu befreien, unternimmt die rot-grün-gelbe Koalition auch im Angesicht einer ernsten Energie-Versorgungskrise nicht.

Obwohl inzwischen der Preiswecker auf der lautesten Stufe schrillt, will die neu gebildete schwarz/grüne Koalition in NRW das Land zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas umbauen.

Für die 'Stiftung Familienunternehmen' hat das Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW Deutschlands Konkurrenzsituation bei Energiekosten und Versorgungssicherheit untersucht. In beiden Disziplinen sind wir schon jetzt Weltmeister, wenn die mit den höchsten Kosten und der größten Abhängigkeit die Besten sind.

Politik und öffentlicher Dienst finden an diesem Satz nichts komisch. Deshalb kann es dazu kommen, dass NRW grüne Region wird aber ohne Industrie. - Arno Tilsner

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