Presseausweis
Von Ruprecht Polenz, 08.08.2018
Sollte nicht jeder junge Mensch ein Jahr lang etwas Sinnvolles
für die Allgemeinheit tun, zusammen mit Altersgenossen aus allen sozialen Schichten? Eine allgemeine Dienstpflicht für alle, mit Abitur oder Hauptschulabschluss, eingewandert oder einheimisch, Mann oder Frau. Alle, ohne Ausnahme. Rettungsdienste, Umweltprojekte, Bundeswehr, Kindergärten, Krankenhäuser und Altersheime würden von den Dienstleistenden profitieren.
Oder passt diese Vorstellung nicht zu einer Gesellschaft, in der Freiheit ganz groß geschrieben wird? Zwangsarbeit ist verboten. Nach dem Grundgesetz darf diese Freiheit nur aus Gründen der äußeren Sicherheit durch eine allgemeine Wehrpflicht eingeschränkt werden.
Viele Befürworter einer allgemeinen Dienstpflicht versprechen sich davon vor allem, dass es der Bundeswehr wieder leichter fällt, geeigneten Nachwuchs zu finden. Außerdem sei es richtig, allen jungen Menschen zu vermitteln, dass es in einem Staat nicht nur Rechte gebe, sondern auch Pflichten. Auch zur Integration könne eine allgemeine Dienstpflicht beitragen. Argumente, die angesichts vieler Einwanderer und einer geänderten Sicherheitslage zweifellos bedenkenswert sind (Russlands Aggression gegen die Ukraine / Unsicherheiten durch Trumps „America first“).
Die Frage ist jedoch, ob sich diese Ziele nicht auch auf freiwilliger Basis erreichen lassen, denn wir sollten an einer Freiwilligen-Kultur interessiert sein.. Der Staat könnte beispielsweise Anreize bei der Vergabe von Studienplätzen in numerus-clausus-Fächern schaffen. Bund, Länder und Gemeinden könnten die Absolventen eines „Freiwilligen Gemeinschaftsjahrs“ bevorzugt einstellen, weil sie ihre Eignung für den öffentlichen Dienst in besonderer Weise nachgewiesen haben.
Gegenwärtig leisten jedes Jahr ca 10.000 junge Männer und Frauen freiwilligen Wehrdienst in der Bundeswehr. Ca. 40.000 engagieren sich im Bundesfreiwilligen-Dienst. Nimmt man noch die Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr und im Freiwilligen Ökologischen Jahr dazu, kommt man auf knapp 100.000 Plätze, die derzeit für ein „Freiwilliges Gemeinschaftsjahr“ zur Verfügung stehen.
In Deutschland werden jedes Jahr ca. 800.000 Kinder geboren. Um die gesellschaftspolitischen Wirkungen einer allgemeinen Dienstpflicht für jeden Altersjahrgang zu erreichen, müßten also viele hunderttausend zusätzlicher Freiwilligen-Plätze geschaffen werden.
Das kostet Geld. Beim Bundesfreiwilligen-Dienst gibt es ca 400 € monatliches Taschengeld, dazu meist Unterkunft und Verpflegung. Mit Zuschlägen beträgt der Wehrsold für freiwillig Wehrdienstleistende im ersten Jahr ca. 900 €. Unterkunft, Verpflegung und ärztliche Versorgung sind frei.
Auch bei einer allgemeinen Dienstpflicht würden pro Platz Kosten irgendwo in diesem Bereich anfallen. Bis hunderttausende zusätzlicher Plätze geschaffen sind, wird in jedem Fall einige Zeit vergehen. Auch das spricht gegen Zwang und für Freiwilligkeit. Bund, Länder und Kommunen sollten zügig weitere Plätze für ein „Freiwilliges Gemeinschaftsjahr“ einrichten. Schon die bisherige Nachfrage zeigt, dass die vorhandenen Plätze nicht ausreichen. - Ruprecht Polenz