Von , 27.04.2016

Stefan Bergmann

Stefan Bergmann

Beim Derby gegen Osnabrück probten die Ultras den Aufstand. Ausnahmsweise mal nicht mit Rauchtöpfen, sondern durch Abwesenheit und Todesstille im Block. "Ein Derby nach Euerm Geschmack?", stand auf Bannern, und die Ultras erwarteten wohl die kollektive Stadion-Antwort: "Nein!" Doch je länger das Spiel dauerte, desto klarer wurde: Ein Fußballspiel ohne Ultra-Getöse ist zwar etwas leiser, aber nicht wirklich unangenehm. Und so kann man schon feststellen, dass die meisten der echten Preußen-Fans die Ultra-Frage mit einem schlichten "Ja!" beantworten würden: Es ist besser, wenn sie nicht da sind. Dann gibt es keine Verletzten, keine Schlägereien, kein tränenden Augen vom beißenden Rauch und Eltern können ihre Kinder ohne Angst ins Stadion schicken. Es sei denn, Magdeburg fällt über Münster her. Dann ist alles verloren. Aber dafür können die Münsteraner nichts.


Was sich die Preußen-Ultras - die wochentags brav im Uni-Seminar sitzen oder bei Papa und Mama wohlbehütet auf dem Sofa - derzeit leisten, hat mit Fankultur nichts mehr zu tun. Zwischen ihnen, dem Verein und der Polizei herrscht Krieg. Und das auch, weil Polizei und Verein es zulassen. Es erschließt sich einem normal denkenden Menschen nicht, wie die Polizei nächtens bei unbeleuchteten Fahrradfahrern eine Null-Toleranz-Strategie fährt und durchsetzt - sie es aber nicht schafft, ein paar wild gewordenen Kriminellen im Stadion die Rauchtöpfe abzunehmen. Stattdessen stellt sie Preußens Sicherheitschef unter Generalverdacht und durchsucht seine Räume. Diese Aktion war Aktionismus und ein Schuss in den Ofen. Die Preußen-Ultras machen diesen Blödsinn auch, weil sie niemand ernsthaft daran hindert. Die Rolle Preußens ist genauso in Frage zu stellen: Würde der Verein die gesamten Strafgelder, die solche Pyro-Aktionen nach sich ziehen, in die Sicherung des Stadion investieren, dann wäre das Problem wahrscheinlich schnell vorbei.

Fakt ist aber auch, dass viele der Normalo-Fans Rauchtopfe zwar offiziell blöd finden, aber insgeheim doch ganz gerne hinschauen. Sieht ja auch toll aus, irgendwie. Und ähnlich geht es wohl den Fans, die die Zündler in ihrem Block decken.

Diese Faszination zwischen "verboten" und "toll anzuschauen" - gemeinsam mit der Angst, die Ultras komplett zu vergraulen und noch mehr gewalttätige Gegenwehr zu provozieren - ist es wohl, was Preußen und Polizei zögern lässt, auch im Stadion "Null Toleranz" auszurufen und entsprechend zu handeln.

So langsam kann man dieses ewige Gezeter von Polizei und Verein über die bösen Rauchtöpfe nicht mehr hören. Denn man wird das Gefühl nicht los, dass eben nicht alles getan wird, um sie wirksam zu verhindern.

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