Von , 11.05.2016

Ruprech Polenz

Ruprecht Polenz

Vor der Südapotheke an der Hammer Straße erinnern zwei sog. Stolpersteine an Benjamin und Erich Cohen: "Hier wohnte Benjamin Cohen, Jg. 1870, deportiert 1942, tot 18.9.1942, in Theresienstadt". Erich Cohen wurde 1941 deportiert und ist in Riga verschollen.
Der Vernichtung der Juden ging ihre Ausgrenzung voraus. Dieser physischen Ausgrenzung hatte eine jahrzehntelange geistige Ausgrenzung den Boden bereitet. So hatte der Berliner Historiker Heinrich von Treitschke bereits 1879 in einem Aufsatz mit dem Titel "Die Juden sind unser Unglück" die nationale Zuverlässigkeit und kulturelle Zugehörigkeit der Juden zum deutschen Volk bezweifelt.
Mit diesem Aufsatz, den man auch mit "Das Judentum gehört nicht zu Deutschland" hätte überschreiben können, gelang es dem renommierten und weithin bekannten Historiker, als scheinbar neutraler und wissenschaftlicher Beobachter den in Deutschland grassierenden Antisemitismus in intellektuelle und akademische Führungsschichten hineinzutragen und salonfähig zu machen.
Nicht nur der Historiker Paul Nolte sieht im Aufkeimen neuer populistischer Bewegungen in Deutschland Parallelen zur politischen Stimmung in den 1920er-Jahren. Völkisches Abschottungs- und Ausgrenzungsdenken - heute vor allem gegen Muslime gerichtet - wird wieder salonfähig. Es ist die ständige Suggestion, muslimische Bürger gehörten nicht zum wahren deutschen Volk, die die AfD zu einer populistischen Partei macht. Populismus bedeutet eben nicht besondere Volksnähe oder drastische Sprache. Populisten ziehen eine "moralische" Trennlinie zwischen authentischem Volk und den irgendwie anderen. Das sind vor allem die Muslime. Islamfeindlichkeit ist der Markenkern der AfD.
Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie gibt uns Maßstäbe. "Remember, it didn´t start with gas chambers. It started with politicians dividing the people with "us vs them". It started with intolerance and hate speech and when people stopped caring, became desentisized and turned a blind eye." - so ein viel geteilter Post auf Facebook.
Es ist deshalb ein gutes Zeichen, dass als Reaktion auf den Brandanschlag auf eine Flüchtlingseinrichtung in Hiltrup am vergangenen Montag eine Kundgebung auf dem Platz des Westfälischen Friedens stattgefunden hat. Ein breites Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, SPD, FDP, Die Linke, Piratenpartei und ÖDP hatte dazu aufgerufen. Es war eine Demonstration gegen Fremdenhass und Ausgrenzung. Der Brandanschlag wurde bezeichnet als "Angriff auf die Willkommenskultur, wie wir sie in Münster leben....Menschen, die vor Bürgerkrieg, Verfolgung und Perspektivlosigkeit zu uns flüchten, brauchen in Münster ein gutes und sicheres Zuhause."


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