Von , 29.06.2016

Stefan Bergmann

Stefan Bergmann

Als im Jahr 2008 das Südbad abgerissen wurde, war dies Endpunkt und Anfang einer völlig verqueren Bäder-Debatte zugleich. Endpunkt, weil es Teil eines lang diskutierten Bäderkonzeptes war, das - wie verquer! - die kühne Behauptung aufstellte, dass man in Münster mit weniger Wasserfläche genauso gut schwimmen kann wie mir mehr. Zur Erinnerung: Seinerzeit hatten Gutachter der Stadt genau das gesagt. Die Politiker stellten daraufhin das Denken ein, beriefen sich aufs Gutachten und beschlossen, dass man mehr Schwimmen in weniger Wasser schon irgendwie hinkriegen könne.
Seitdem fahren Schulkinder für eine Doppelstunde "Schwimmen" aus der Innenstadt bis nach Roxel. Effektive Zeit im Wasser: 20 Minuten. Vereine drängeln sich in den Randzeiten in den Bädern. Die Leistungsschwimmer wissen schon gar nicht mehr, wann und wo sie trainieren sollen.
Und es war auch der Anfang einer Debatte um Bäder, Wasserflächen und Kosten, wie sie sich wohl nur Hobbypolitiker leisten können: Völlig an der Wirklichkeit vorbei, die Bedürfnisse von Familien mit Kindern und Sportvereinen außer Acht lassend. Avanti dilettanti - wir reden uns die Situation schön. Funktioniert doch alles, irgendwie. Was die Politiker aller Couleur seit 2008 in Sachen Schwimmbad-Planung abgeliefert haben, ist ein riesiger Murks. Dabei hätte schon ein Blick nach Osnabrück genügt, um zu sehen, wie es besser geht: Kleine Bäder schließen, ein großes zentrales Bad (mit Sportbecken und Wasserspaß) bauen, und alles ist gut. Der Ärger in der Bevölkerung war nur kurz, berichtete ein städtischer Pressesprecher seinerzeit in der Münsterschen Zeitung. Doch schnell hätten alle Osnabrücker gemerkt, dass die Bade- und Schwimm-Situation in der Friedensstadt gut ist - und bezahlbar noch dazu.
Ein Blick nach Osnabrück hätte also gereicht, um den rechten Weg zu finden.
Aber Münster doch nicht! Wir nehmen doch keinen Rat von anderen Städten an! Die Situation in Münster ist doch einzigartig und mit nichts vergleichbar! Und wir erfinden natürlich das Rad neu, geben lieber viel Geld für unnötige Gutachten aus. Kann man sich ja auch gut dahinter verschanzen.
Mit dieser Arroganz haben Sie es kräftig verbockt. Die Handorfer Schwimmhalle bricht bald zusammen, die anderen Bäder sind komplett überbelegt und laut Bädergutachten ebenfalls marode und defizitär.
Und anstatt sich drum zu kümmern, baut beispielsweise die SPD das Luftschloss "Spaßbad in Gievenbeck" auf. Toller Wahlkampf-Gag. Ist zum Glück schnell einkassiert worden. Würden Sie ihr Kind in eine Wasserrutsche setzen, wenn es vorher in der Schule noch nicht mal richtig schwimmen gelernt hat? Man wolle nicht, dass junge Familien zum spaßbaden nach Senden oder Everswinkel fahren müssen, so die Argumentation. Nun: Diese Sorge um Münsters Zentralität ist rührend. Vor allem, wenn man weiß, dass gewisse politische Gruppierungen in der Provinzialhauptstadt ansonsten gerne darauf verzichten, hauptzentral und städtisch zu sein. Stichwort: Verkaufsoffener Adventssonntag.
Jetzt kommen ein neues Südbad und ein neues Bürgerbad in Handorf. Das ist vollkommen ok in der jetzigen Situation. Es ist eine Krücke für einen Lahmen, aber wenigstens kann er damit passabel humpeln.
Die Millionen, die Münster dafür ausgibt, sind bitteres Lehrgeld und Steuergeld dazu. Es hätte alles billiger und besser werden können, wenn man damals, vor 2008, den gesunden Menschenverstand ein- und die Gutachter ausgeschaltet hätte.


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