Von , 20.07.2016

Um den folgenden Presseausweis nicht im falschen Licht erscheinen zu lassen,

Stefan Bergmann

folgendes vorweg: Ich halte die meisten militärischen Kriegs-Einsätze der jüngsten Vergangenheit für schlicht falsch. Sie haben nichts als Tod und Elend über die Menschen gebracht, weder Afghanistan befriedet, noch den Irak, noch den Nahen Osten, noch die Länder in Afrika. Amerika spielt sich noch immer als Weltpolizei auf, und die NATO beschließt eine völlig unnötige Aufrüstung im Baltikum, die zu Recht als Provokation empfunden wird. Wenn die Bundeswehr dagegen somalische Piraten jagt oder vor Libyen die Seewege kontrolliert oder Flüchtlinge vorm Ertrinken rettet: Da kann ich mitgehen. Aber im Grunde bin ich Pazifist.


Wir leben glücklicherweise in einem demokratischen Staat. Er unterhält eine Bundeswehr – glücklicherweise ohne Wehrpflicht.

Was hat das nun alles mit Münster zu tun? Einiges. Denn die Bundeswehr war beim Stadtfest präsent, hatte auch zwei Fahrzeuge dabei. Ein paar Bürger haben sich erschrocken (wovor eigentlich genau? Vor großen Autos mit grüner Bemalung?) – und sofort gingen die Stadtfest-Organisatoren und selbst die Stadt in den Defensiv-Modus und drängten die Bundeswehr, die Gefährte zu entfernen.

Vor wenigen Tagen war ich im holländischen Delfzijl bei einer großen Segler-Schau („DelfSail“). Die Uferpromenade war schwarz vor Menschen. Mittendrin die holländische Armee. Sie hatte auch zwei Panzer dabei. Erschreckt hat sich niemand. Sie durften bis zum Schluss stehen bleiben.
Ja, wir haben aufgrund unserer Geschichte ein schwieriges Verhältnis zu Soldaten. Sie haben unfassbares Unheil angerichtet und nicht alle waren einfach nur die Mitläufer, als die sie sich im Nachhinein gerne bezeichnet haben. Viele gefielen sich in ihrem besonderem Eifer, Menschen zu jagen, zu denunzieren, zu exekutieren, zu töten, zu deportieren. Nach dem Dritten Reich hat die deutsche Justiz viele von ihnen ungeschoren davonkommen lassen – wohl auch, weil sich in der deutschen Justiz ihrerseits die Nazis von damals eingenistet hatten. Der Umgang Deutschlands mit den großen und kleinen Tätern kurz nach den Taten offenbart ein manifestes Staatsversagen.
Doch was genau können die heutigen Soldaten dafür? Es gibt die Bundeswehr, sie ist Realität. Sie ist nicht die Wehrmacht. Sie ist auch Arbeitgeber, Steuerzahler und in Münster aus diesen Gründen gern gesehen. Die Stadtspitze gefällt sich immer wieder darin, Münster als Garnisonsstadt mit langer Tradition darzustellen. Und dann erschrecken sich ein paar Bürger vor Autos, und die Bundeswehr muss die Autos wegfahren. Das ist heuchlerisch. Was denkt denn der Otto-Normal-Münsteraner? Dass die Soldaten auf Bären zu ihren Einsätzen reiten? Es ist ein weiterer Auswuchs des münsterschen Wohlgefühls: Die böse Welt beginnt erst jenseits der Stadtgrenzen. In Münster selbst ist nur Glückseligkeit.

Wie anfangs erläutert: Ich fände eine Welt ohne Soldaten toll. Ohne militärische Konflikte. Aber leider sieht die Welt das anders.

Mich haben nicht die Einsatzfahrzeuge der Bundeswehr erschreckt. Viel erschreckender fand ich den Stand der Verschwörungstheoretiker hundert Meter entfernt in der Ludgeristraße. Sie behaupteten allen Ernstes, dass wir Menschen durch „Chemtrails“ vergiftet werden, also dass die Kondensstreifen der Flugzeuge aus giftigen Chemikalien bestehen. Ich finde: Nichts ist erschreckender als die menschliche Dummheit. - Stefan Bergmann

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