Von , 10.08.2016

Stefan Bergmann

Stefan Bergmann

Es sah aus wie ein Husarenstück: Innerhalb von 48 Stunden musste das münstersche Gefängnis geräumt werden. "Akute Einsturzgefahr", lautete das Urteil des Bau- und Liegenschaftsbetriebes, dem der uralte Bau gehört. Nun: "akut" war da wohl nichts. Das Gefängnis steht noch immer sicher. Dass just an jenem Tag Anfang Juli von heute auf morgen eine "akute" Gefahr entstanden sein soll, ist wohl weniger auf den baulichen Zustand des Gebäudes zurückzuführen, als eher darauf, dass irgendjemandem der Kragen platzte aufgrund der festgefahrenen Suche nach einem Standort für den Gefängnisneubau.


Landesbehörden lieben den ruhigen Fluss, und sie mögen keinen Streit, schon gar nicht untereinander. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb streitet sich folglich ungern mit dem Justizministerium, und auch nicht mit dem Finanzministerium.
Brenzlig jedoch wird es, wenn eine Behörde warnt und warnt und warnt, und die anderen sich nicht bewegen. Sich vielleicht auch nicht bewegen können, weil es eine Stadt wie Münster nicht schafft, binnen vier Jahren einen realistischen Bauplatz für ein neues Gefängnis vorzuschlagen. Auf der anderen Seite gibt es ein Gutachten, das bescheinigt, dass das uralte Gefängnis ein Sicherheitsrisiko darstellt. Dieses Gutachten wird natürlich nicht veröffentlicht, um die Deutungshoheit nicht aus der Hand zu geben.

Und irgendwann fand sich niemand mehr, der die Verantwortung übernehmen wollte für die Sicherheit der Häftlinge und der Bediensteten. Und vermutlich hatten Ministerien und Behörden genug von der schnarchnasigen Stadt Münster, die eine 200-Millionen-Euro-Investition mit einer Priorität behandelt, als ginge es um das Aufstellen einer neuen Parkuhr.

Die Räumungsverfügung kam kam dem Justizministerium vermutlich nicht einmal ungelegen. Denn damit hatte die Hängepartie ein Ende und es kam Bewegung in die Sache.

Großer Verlierer ist die Stadt Münster. Das Gefängnis wird vermutlich außerhalb der Stadtgrenzen gebaut. Der Altbau soll schnellstmöglich abgerissen werden, was niemandem in der Stadt gefällt, schon gar nicht dem Denkmalschutz. Die münstersche Politik und die Stadtverwaltung stehen gegenüber Düsseldorf als zauderhafte Provinzler da. Zur Ehrenrettung muss man sagen, dass auch der Bau- und Liegenschaftsbetrieb Fehler gemacht hat, vor allem in der Kommunikation mit der Bundeswehr. Denn Plan A (Bau in Handort) war nur gescheitert, weil niemand auf die Idee gekommen war, den Grundstückseigentümer (die Bundeswehr) mal zu fragen, ob sie die Baufläche überhaupt verkaufen will. Die Gefahr ist, dass auf einen Plan B aus Münster niemand mehr wartet.

P.S.: In meinem letzten Presseausweis habe ich über die "Chemtrail"-Verschwörungstheoretiker geschimpft. Sie stehen regelmäßig mit einem Stand in der Ludgeristraße und behaupten allen Ernstes, dass die Welt/die Menschen/wir alle vergiftet/dezimiert/schleichend getötet werden durch Chemikalien, die geheime Organisation/Armeen/Staaten mit Flugzeugen versprühen (Kondensstreifen). Die drei Theoretiker haben sich bei mir beschwert. Am letzten Samstag habe ich die Chemtrail-Apokalyptiker an ihrem Stand besucht, wollte ernsthaft diskutieren. Drei Minuten und fünf abstruse Behauptungen ohne Belege später gab ich es auf. Mein Fazit: Wir werden alle sterben. Aber nicht durch "Chemtrails".

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