Von , 31.08.2016

„Et ist noch mal jot jejange“

Stefan Bergmann

„Et ist noch mal jot jejange“, würde der Kölner sagen mit Blick auf die Irrungen und Wirrungen rund um die neuen Sozialwohnungen im Hafen. Warum gerade ein kölsches Sprichwort zur eskalierenden Situation? Vielleicht auch, weil viele vermuten, dass es in Münster auch sowas wie einen kölschen Klüngel gibt.
Immer wieder vermutete man, dass der Stadtdirektor und die beiden Architekten Rainer M. Kresing und Andreas Deilmann unter einer Decke stecken. Das Indiz: Erstaunlich viele Bauprojekte von Deilmann/Kresing haben erstaunlich gut funktioniert. Es könnte aber auch einfach sein, dass die beiden Architekten einfach gute Architektur machen, die sich zudem noch gut vermarkten lässt. Das aber war für viele zuviel des Guten, weshalb man gerne mal raunte, es gehe nicht mit rechten Dingen zu. Beweise? Gibt es nicht. Aber man weiß um die Kraft des bösen Gerüchts. Da ist es einerlei, ob auch nur ein Deut davon richtig ist.
Da passte es gut ins Bild, dass Deilmann und Kresing plötzlich einen Rückzieher machten von ihrer Zusage, im 80-Millionen-Wohnungsprojekt „Hafen“ 25 Prozent als Sozialwohnungen zu bauen. „Sozialgerechte Bodennutzung“ heißt das Konzept dahinter, und es besagt kurz gefasst: Die Stadt verlangt von allen Bauherren, bei ihren Großprojekten ein Viertel der Wohnungen erschwinglich für Menschen zu halten, die nicht der münsterschen haute volé angehören. Vulgo: Sozialwohnungen. Baugrund ist teuer, am häufigsten entstanden bisher neue Wohnungen für Menschen, die 1000 Euro und mehr pro Monat bezahlen können. Die Politik zog die Notbremse, setzte das neue Konzept durch (scheiterte gleich mit ihrer Forderung am neuen Luxus-Wohngebiet Erpho-Bogen) und packte nun Deilmann und Kresing am Schlafittchen.
Deren plötzliche Weigerung, 25 Prozent der Wohnungen im Hafen als Sozialwohnungen zu bauen, passte gut ins Konzept der bösen Architekten. Die Politik jeglicher Couleur schäumte spontan vor Wut, Drohszenerien wurden aufgebaut. Nur wenige Tage später klärte sich alles auf: Eine Ungenauigkeit im Vertragswerk brachte Deilmann und Kresing auf die Palme. Plötzlich sollten sie nicht 25 der Wohnungen, sondern 25 der gesamten neuen Wohnfläche sozial gestalten. Und das wäre wohl zuviel gewesen, um es finanzieren zu können, schließlich wohnt man im Hafen in einer 1A+++-Wohnlage. Aber egal: Die beiden Architekten waren die Buhmänner, „haben wir’s nicht immer gewusst?“, mag man sich gedacht haben.
Doch eigentlich zeigt der Mini-Skandal, der keiner war, nur: Die Stadt fremdelt noch mit ihrer neuen sozialen Wohnungsbaupolitik, ist unsicher bei der Vertragsgestaltung. Kein Wunder. Ging es doch sonst immer nur um Geld. Und nicht um Soziales. Aber ein Scheitern des Projektes kann sich niemand leisten. Deswegen sollten die Politiker, die einiges an Übung haben, private Bauherren zu drangsalieren - siehe den Streit um die Höhe der Bahnhofs-Hochhäuser - nicht zu hoch pokern. Stefan Bergmann


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