Von , 16.11.2016

Ruprech Polenz

Ruprecht Polenz

Auf mich wirkt der Trump-Schock noch nach. Le Pen, Wilders und die völkisch-nationalistische AfD jubeln. Es ist ein Alptraum. Ein völlig unberechenbarer Mensch wird der mächtigste Mann der Welt. Wie es aussieht, wird auch die leise Hoffnung nicht erfüllt, dass seine fehlende politische Erfahrung durch ein klug zusammengesetztes Kabinett kompensiert würde. Die gehandelten Namen wie Newt Gingrich oder John Bolten deuten eher auf Trump-Verstärker hin. Das war freilich nach dem Wahlkampf zu erwarten, den Trump ja auch gegen das republikanische "Establishment" geführt hatte.
Realpolitik sei jetzt gefragt, sagt mancher, dem die Wahl von Trump vielleicht auch nicht gefallen hat. Richtig. Aber was heißt Realpolitik in diesem Fall? Die USA sind wichtig für Deutschland. Nur: Trump ist unberechenbar. Darauf müssen wir uns ganz realistisch einstellen. Deshalb war es richtig, dass Merkel an die gemeinsamen Werte erinnert hat: "Deutschland und Amerika sind durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an."
Und notwendig war diese Erinnerung leider auch, nach allem, was Trump in den letzten Monaten so von sich gegeben hat. Ohne gemeinsame Werte können wir mit den USA nur so zusammenarbeiten wie mit China. DAS ist Realpolitik.
Lassen wir mal beiseite, dass diejenigen, die jetzt in Welt, FAZ oder Zeit nach dem Wahlsieg von Trump über "arrogante und ignorante Eliten" schreiben, aus der Sicht von Populisten selbst dazugehören. Und unterstreichen wir die Selbstverständlichkeit, dass aus jeder Wahl gelernt werden muss. Nur: Es müssen die richtigen Lehren gezogen werden.
Falsch wäre es, in den Chor einzustimmen, bei dem seit langem die AfD den Ton angibt: Es gibt eben nicht das homogene Establishment, von dem sich das Volk nur durch die Wahl einer populistischen Partei befreien könne. Wir haben Wettbewerb unterschiedlicher Parteien und Wahlmöglichkeiten zwischen ihnen. Wir haben Medien unterschiedlicher Ausrichtung und keine "gleichgeschaltete Lügenpresse".
Es wäre falsch, den völkischen Nationalismus der AfD nicht mehr zu kritisieren, weil sich damit manch AfD-Sympathisant getroffen fühlen könnte. Nein, das ist Absicht. Es ist auch keine Argument gegen diese Kritik, dass sie von den anderen Parteien und vielen Medien vorgetragen wird. Im Gegenteil. Je deutlicher sich die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zur Wehr setzt, desto besser.


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