Von , 23.11.2016

Die Flaschenpost darf ihre Getränke nicht mehr sonntags ausliefern

Stefan Bergmann

Die Flaschenpost darf ihre Getränke nicht mehr sonntags ausliefern. Die Bezirksregierung hatte etwas dagegen. Kein Wunder, sie muss das NRW-Ladenschlussgesetz durchsetzen, und das tut sie. Dass der Einzelhandelsverband auch gegen das findige Unternehmen klagt, ist dagegen unverständlich. Da schwingt wohl eher ein kräftige Portion Neid mit, und auch noch der Ärger über die Niederlage beim Sonntags-Öffnungs-Bürgerentscheid: „Warum dürfen die, was wir nicht dürfen?“ Vielleicht ist es ja auch die Tatsache, dass die Flaschenpost ihre Kisten trotz Bring-Service zum gleichen Preis verkauft wie der Supermarkt. Soll womöglich nur unbequeme Konkurrenz aus dem Weg geräumt werden mit der Klage?
Dass sonntags Bierkisten an Tankstellen für teuer Geld verkauft werden dürfen, aber nicht Bierkisten im Bringdienst zu ganz normalen Preisen - das ist eine der Ungereimtheiten im Ladenschlussgesetz. Und komme mir nicht einer damit, dass Bier zum dringend benötigten „Reisebedarf“ zählt. Blumen zählen übrigens auch nicht zum Reisebedarf (schmecken nur selten gut), dürfen aber trotzdem den ganzen Sonntag lang verkauft werden. Brötchen und Brot innerhalb nur ein paar Stunden lang. Weil Menschen sonntags Brötchen wollen. Gedöns vom Weihnachtsmarkt darf natürlich auch an jeder Ecke sonntags verkauft werden. Weil die Menschen das wollen. Flohmärkte dürfen öffnen, weil die Menschen es wollen. Und in Städtchen wie Tecklenburg, wo sonntags die Touristen einfallen, darf man auch alles verkaufen.
Und da zeigt sich, wie inkonsequent das Gesetz wirklich ist. Es belohnt alle, die laut schreien, mit einem erlaubten Sonntagsverkauf. Die Kriterien dafür, was erlaubt ist und was nicht, sind nebulös und kaum nachvollziehbar. Änderungen und Anpassungen an das moderne Leben gibt es nicht. Die Regeln sind in Beton gegossen - siehe Tankstellen. Sie sind zugegebenermaßen mein Lieblingsbeispiel. Warum der Einzelhandelsverband nicht gegen die Tankstellen-Shops mit Ihren überzogenen Preisen und dem Vollsortiment an Nicht-Reisebedarf vorgeht, ist mir ein Rätsel. Als Erklärung bleibt nur: Niemand möchte sich mit der mächtigen Mineralölwirtschaft anlegen.
Und so ist die Flaschenpost ein Opfer der Umstände. Dass Studenten beim heutigen verschulten Studium nur noch sonntags Zeit haben, um zu arbeiten - egal. Dass die Wasserkisten der Flaschenpost vermutlich niedriger sind als die an der Tanke - egal. Dass Pizzadienste sonntags ausliefern dürfen - egal. Das verstehe jemand anders. Es zeigt, dass man als kleines, mutiges, innovatives, findiges Unternehmen keine Chance hat, etwas zu verändern. - Stefan Bergmann


Archivtexte Presseausweis

Beiträge 2016