Von , 07.12.2016

Ruprech Polenz

Ruprecht Polenz

Bekommt Österreich den ersten populistischen Präsidenten in Europa? Wenn diese Ausgabe der "na dann ..." erscheint, kennen wir das Ergebnis. Heute, am Wahlsonntag, kann man noch hoffen.
Was ist eigentlich so schlimm am Populismus? "Wenn Populismus verstanden wird als das Aufnehmen von Erwartungen und Sorgen im Volk, dann halte ich ihn nicht für einen Vorwurf", hat Gerhard Schröder gemeint. Andere verstehen darunter eine deftige, volkstümliche Sprache.
Aber um beides geht es beim Populismus nicht. Der in Princeton lehrende Soziologe Jan Werner Müller bringt die Besonderheit auf den Punkt: Populismus ist immer antipluralistisch.
Populisten erheben einen Alleinvertretungsanspruch, den sie moralisch begründen. Nur sie vertreten den "wahren Volkswillen". Bürger, die die Bewegung nicht unterstützen, gehören nicht zum wahren Volk. Auf tatsächliche Wahlergebnisse kommt es für diesen Anspruch nicht an.
Populisten kennen keine legitimen Mitbewerber um die Macht. Sie behaupten, dass die anderen Parteien sich nicht voneinander unterscheiden und ein illegitimes Kartell bilden würden. Sie machen sie als "Alt- oder Systemparteien" verächtlich. Auf diese Weise bringen Populisten Legitimität gegen Legalität in Stellung. Dabei kann die Legalität nicht gewinnen, "weil die Empirie die Moral nicht zu schlagen vermag." (Müller) Ohne eine moralische Trennlinie zwischen authentischem Volk und dem irgendwie anderen gibt es also keinen Populismus.
Für den FPÖ-Politiker Hofer sind Flüchtlinge deshalb Invasoren: "Wir sind nicht das Sozialamt der Welt. Es gibt diesen eigenartigen Zaun, diesen Maschendrahtzaun mit Löchern. An der Straße werden die Grenzkontrollen durchgeführt. Die Invasoren werden um diesen Zaun herum marschieren, werden da nun irgendwo in Österreich sein und werden sagen: ‚Asyl.‘" Man habe Zehntausende Türken in Österreich, die zu Unrecht die türkische und österreichische Staatsbürgerschaft haben." Aber der Staat wehre sich nicht dagegen.
Populismus ist so gefährlich, weil er zur Ausgrenzung von Minderheiten führt und gleichzeitig zu einer Re-Nationalisierung. Make Austria great again - so könnte man Hofers Heim-ins-Reich-Forderung für Südtirol überschreiben. Für ihn werde die Trennung Südtirols vom "Vaterland Österreich" immer Unrecht bleiben, "solange diese Grenze besteht". Hofer betont: "Österreich ist die Schutzmacht Südtirols" und das österreichische Parlament sei auch jenes der Südtiroler.
Zum Lachen finde ich diesen nationalistischen Revisionismus nicht, auch wenn ich keine militärischen Auseinandersetzungen zwischen Österreich und Italien befürchte. Aber nach Brexit, mit Le Pen, Wilders und der AfD erleben wir Veränderungen des politischen Klimas in Europa, die mir Sorgen machen. Heute, am österreichischen Wahlsonntag, besteht noch Hoffnung, dass es in unserem Nachbarland anders kommt. - Ruprecht Polenz


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