Von Ruprecht Polenz, 02.08.2017

Im letzten Presseausweis hat Arno Tilsner in einem sehr persönlichen Beitrag beschrieben,

weshalb er durch seinen Vater zu einer grundsätzlichen Ablehnung von Gewalt gekommen ist. Ich würde das Thema gern weiter vertiefen.

Die Frage ob Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele gerechtfertigt sei, wurde in der Studentenbewegung 1968 heiß diskutiert. An der Gewaltfrage schieden sich die Geister. Die damaligen Diskussionen haben mich bis heute politisch geprägt.

Widerstand gegen die sog. „strukturelle Gewalt“, die sich in den deutschen Herrschaftsverhältnissen spiegele, könne auch „Gegengewalt“ legitimieren, hieß es damals. Aber die Etikettierung demokratischer Herrschaftsverhältnisse als „strukturelle Gewalt“ verfehlte die Wirklichkeit und sollte durch die Verwendung des Gewaltbegriffs nur dazu dienen, „Gegengewalt“ auch in einer Demokratie zu legitimieren.

Welche Form von Gewalt? Diese Frage schloss sich an. Gewalt gegen Personen oder Gewalt gegen Sachen? Aber diese Unterscheidung hatte sich bald als untauglich erwiesen. Denn ein gegen ein Polizeiauto geschleuderter Molotow-Cocktail (Gewalt gegen Sachen) konnte unversehens zur Gewalt gegen Personen umschlagen, wenn in dem brennenden Fahrzeug noch ein Polizist gesessen hatte.

Auch die Rechtfertigung mit Gewalt irgendwo sonst auf der Welt war nicht überzeugend. Widerstand gegen Diktaturen mag Gewalt rechtfertigen. Die Diskussion über die Legitimität des Tyrannenmordes setzt sich mit den entsprechenden Fragen auseinander. Aber für die Frage, ob Gewalt in einer Demokratie als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele statthaft ist, wird dabei nichts gewonnen.

Gleiches gilt für die Bekämpfung von Ungerechtigkeiten irgendwo sonst auf der Welt. Auch damit läßt sich in Deutschland Gewalt nicht rechtfertigen. Und damit sind wir bei den Krawallen von Hamburg.

Es versteht sich von selbst, dass Demonstrationen und Protest gegen den G20-Gipfel legitimer Ausdruck demokratischer Meinungsfreiheit sind. Aber das Versammlungsgesetz schreibt mit guten Gründen vor, dass diese Demonstrationen friedlich sein müssen.

Martialische Slogans im Vorfeld („Welcome to Hell“) und Erklärungen von Attack, wonach es durchaus möglich sei, punktuell auch mit militanten Gruppen zusammenzuarbeiten, hatten die Grenzen verwischt.

Über die Lehren aus Hamburg wird noch viel geredet werden. Der abschließende Polizeibericht steht noch aus. Vielleicht wird es noch parlamentarische Untersuchungsausschüsse geben.

Eines sollte in jedem Fall festgehalten werden: in Deutschland ist Gewalt kein legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele. Demokraten sind aufgefordert, hier eine deutliche Trennungslinie zu ziehen gegenüber gewaltbereiten Gruppen jeder politischen Couleur. Je deutlicher diese Grenzen gezogen werden, umso heftiger kann der Meinungsstreit zwischen den Demokraten erfolgen. - Ruprecht Polenz

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