Von Ruprecht Polenz, 23.08.2017

Alle vier Jahre wieder.

Wahlkampf nervt, stöhnen manche und ärgern sich über die vielen Wahlplakate in der Stadt. Was das wieder kostet. Man sollte das Geld für was besseres ausgeben. Außerdem: Wenn die Parteien nicht mehr zu bieten haben als die Sprüche auf den Plakaten… Von wegen Wahl - die Parteien unterscheiden sich ja kaum voneinander.

Fünfmal habe ich als Bundestagskandidat Wahlkampf gemacht. Ich habe diese Zeiten immer ganz anders empfunden. Die Menschen waren an Politik interessierter als sonst. Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, Kirchen und andere Organisationen laden die Kandidaten zu Podiumsdiskussionen ein. Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Rente, Gesundheit, Entwicklungs- und Außenpolitik - in Münster bleibt kaum ein Politikbereich unerörtert. Friedensinitiativen und Eine-Welt-Gruppen haben nicht selten mehr Detailkenntnisse als mancher Kandidat, dem sie auf den Zahn fühlen.

Weiterführende Schulen, die politische Bildung nicht nur theoretisch vermitteln wollen, veranstalten Podiumsdiskussionen mit den Kandidaten, moderiert von Schülerinnen und Schülern. Aber nur das äußere Schema ist meist den Talk-Shows nachempfunden. Wer anderen ins Wort fällt, unsachlich wird oder andere Kandidaten persönlich angreift, merkt sehr schnell, dass das bei den Schülern überhaupt nicht gut ankommt.

Für die „Laufkundschaft“ stehen die Kandidaten und andere Vertreter der politischen Parteien an ungezählten Info-Ständen Rede und Antwort und halten ihre Programme bereit. Weil Münster eine wichtige Stadt ist, kommen in der Regel die Parteivorsitzenden aller Parteien, um ihre örtlichen Kandidaten zu unterstützen. Jeder kann sich auch von Merkel, Schulz, Özdemir und Lindner einen persönlichen Eindruck verschaffen.

Wer auch nur ein paar der Angebote annimmt, wird nicht mehr denken, es gäbe keine Unterschiede zwischen den Parteien. Es sagt ja auch niemand, dass es zwischen Mercedes und Fiat, Dacia und Audi keine Unterschiede gibt, nur weil alle Autos seien und vier Räder hätten.

Ob ein Plakat gelungen ist, oder nicht - darüber lässt sich immer streiten. Aber ohne Wahlplakate wüßten viele nicht, dass eine Wahl bevorsteht. Und für die Kandidaten ist es eine Möglichkeit, sich wenigstens mit einem Foto vorzustellen. Lokales Fernsehen gibt es nicht und die Westfälischen Nachrichten erreichen längst nicht alle Haushalte. Deshalb nutzen alle Kandidaten facebook und andere soziale Medien, um mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser in Kontakt zu treten.

Wahlkampf muss nicht nerven. Je mehr die Bürger fragen, desto informativer kann Wahlkampf sein. Mit Wahlkampf ist es wie mit einem Werbespruch für Beton: Es kommt darauf an, was man daraus macht.

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