Von Stefan Bergmann, 20.09.2017

Die Kurve weist schräg nach unten.

Die Kurve weist schräg nach unten. Gingen um Jahr 2000 herum noch fast 80 Prozent der Menschen zur Wahl, so waren es 2013 nur noch 71 Prozent. Betrachtet man dies einmal von der anderen Seite, dann heißt das: Einem Drittel aller Menschen ist es egal, wer in Berlin regiert.

Es gibt eine kleine Hoffnung, dass am nächsten Sonntag die Wahlbeteiligung höher liegt. Doch die eigentlich positive Nachricht kommt daher als trojanisches Pferd. Denn in ihr versteckt sich die AfD, die vermutlich viele der Frustrierten an die Urnen lockt, weil sie protestieren wollen. Gegen Merkel, gegeben die etablierten Parteien, gegen ihre gefühlte Benachteiligung - eigentlich gegen alles. Es ist zum Mäusemelken: Die Partei, die inhaltlich hautnah dran ist an den demokratiefeindlichen Kräften des „Dritten Reiches“, stärkt die Demokratie.

Nach jeder Wahl vergießen Politiker die gleichen, großen Krokodilstränen über die geringe Wahlbeteiligung. Doch die Trauer ist nur von kurzer Dauer, schnell wendet man sich dann wieder den Ränkespielen, dem Machterhalt, den Hinterzimmer-Koalitionsgesprächen zu. Man könnte sich auch fragen: Was machen wir als politische Kaste eigentlich falsch? Fühlen sich Menschen von uns wirklich noch vertreten? Oder hat das Raumschiff Berlin nicht längst abgehoben aus der normalen Welt?

Wähle ich FDP, kriege ich vielleicht SPD, CDU oder die Grünen dazu. Wähle ich SPD, dann vielleicht CDU, FDP, Grüne oder Linke. Und wenn das alles zu kompliziert ist, dann gibt es halt wieder eine große Koalition und weitere fünf Jahre lähmenden Stillstand.

Wen soll man wählen als Direktkandidaten, wenn man den Eindruck hat, dass sie von Parteien nach dem Kriterium ausgewählt werden, wer am wenigsten in Münster fehlen werde, ginge er nach Berlin? Die plötzlich auftauchen im politischen Diskurs Münsters wie Kai aus der Kiste - und dann geradewegs bis nach Berlin gelobt werden, ohne dass sie vorher auch nur einen Akzent gesetzt hätten. Ist das nicht ein Stück Beliebigkeit? Nun kann nicht jeder zu Beginn der seiner politischen Laufbahn ein markantes Profil wie Ruprecht Polenz, Christoph Strässer oder Maria Klein-Schmeink aufweisen. Aber wenigstens irgendeine Leistung abseits der minder-markigen Sprüchen „…natürlich!“ oder „….statt Raute“ müsste man als Berechtigung für die Berlin-Tauglichkeit doch vorweisen können, oder?

Nun, die Demokratie hat ihre Fehler und Auswüchse, aber eine bessere Staatsform gibt es nicht. Und deswegen mag die jetzt kommende Aufforderung für einige gähnend langweilig sein: Leute, geht zu Wahl! Wählt das, was Euren Vorstellungen am nächsten kommt. Die perfekte Partei ohne Fehler gibt es nicht. Aber zeigt allen, dass Deutschland keine rassistischen Parteien braucht. Wer AfD wählt, wird mit ihr untergehen. So wie auch viele andere AfD-Wähler in anderen Bundesländern gerade mit ihrer Partei in Streit, Zank und borniertem Rassismus versinken.

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