Von Stefan Bergmann, 08.11.2017

Die Parteien im Rat müssen sich entscheiden

ob sie lieber 3000 Wohnungen für 10.000 Menschen in Münster wollen, oder lieber den Ruf der Stadt wahren, auf dass von ihrem Gebiet keine Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern ausgehen - worauf viele sozial eingestellte Menschen in Münster wert legen. Es ist also das klassische moralische Dilemma. Man sollte beides tun, kann aber nur eines - denn so lautet die Bedingung der Landesregierung: Kasernen freimachen für neue Wohnungen, doch dafür die Kröte einer Zentralen Ausländerbehörde akzeptieren, die die ungeliebten Abschiebungen organisiert.

Man könnte über das Thema im Rat ernsthaft diskutieren und um einen Kompromiss ringen. Man könnte akzeptieren, dass Münster keine Insel der Glückseligen ist, auf der es keine bösen Abschiebungen gibt. Man könnte auch das St.-Florians-Prinzip beerdigen. Die Politiker werden nicht müde, jedem Bürger gerade dieses vorzuwerfen, wenn er sich gegen etwas in seiner Nachbarschaft wehrt. Aber sie selbst sind keinen Deut besser.

Man kann es aber auch so machen: Die CDU schlägt auf alle ein außer auf den grünen Koalitionspartner. CDU-Mann Leschniok holt mal seine AfD-Sprech heraus und bezichtigt die SPD des „Gutmenschentums“. Die Grünen trauen sich nicht, ihrem Koalitionspartner zu widersprechen und flüchten sich ins Formaljuristische: Abschiebungen macht doch Bielefeld. Dann braucht Münster nicht. Also alles in Butter. Das Problem nur: Bielefeld gibt es gar nicht….ach lassen wir das. Nicht abschweifen.

Die SPD schießt wieder gegen alles, was sich bewegt und macht Nebenkriegsschauplätze auf („Der Oberbürgermeister und seine Freundin Feller sind Schuld“) (Zur Erklärung: Dorothee Feller = Regierungspräsidentin). Zur Sache: Nichts. Es wird Zeit für eine Fraktionsführung, für nicht mehr spalten, sondern dass versöhnen im Mittelpunkt steht.

Und die AfD? Die hat’s leicht. Sie war schon immer für Abschiebungen. Möglichst schnell und hart und konsequent. Ok, diese Minderheitenmeinung können wir mal ignorieren.

Und jetzt?

Betrachtet man es nüchtern, muss man feststellen: Ja, was das Land mit Münster macht, ist ein Erpressungsversuch. Aber nein, man muss wohl trotzdem drauf eingehen. In Münster herrscht Wohnungsnot vor allem bei Menschen mit kleinem Einkommen, Tausende wandern ins Umland ab. Ihnen eine Chance zu verwehren, nur um das Münstersche Wohlgefühl zu wahren? Das wäre eine verantwortungslose Politik. Abschiebungen wird es immer geben. Und vielleicht gibt es ja sogar einen münsterschen Weg, sie humaner zu machen. - Stefan Bergmann

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