Von Ruprecht Polenz, 13.12.2017

Alle Jahre wieder: Weihnachtsmärkte in Münster.

Alle Jahre wieder: Weihnachtsmärkte in Münster. Glühwein, Punsch, Reibeplätzchen - die Speisekarte ändert sich kaum, genau so, wie das Sortiment der Buden: Holzspielzeug, Weihnachts-Deko, Schmuck und Socken - dazu Selbstgebasteltes von sozialen Initiativen, verkauft für gute Zwecke. Diese Mischung, dazu Weihnachtsmusik und Lichterglanz ziehen jährlich zigtausende von Menschen an.

So auch in diesem Jahr, obwohl heuer etwas anders ist. Quergestellte LKW versperren die Zufahrten in die Innenstadt. Ein Polizeifahrzeug steht die ganze Zeit auf dem Prinzipalmarkt gegenüber vom Rathaus. Polizisten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen laufen Streife.

Wegen des schrecklichen Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidt-Platz wurden dieses Jahr überall in Deutschland die Sicherheitsmaßnahmen deutlich und vor allem sichtbar erhöht.

„Warum ist dort alles abgesperrt?“ fragt in der Samstags-Karikatur der WN (25.11.) ein kleines Mädchen seine Mutter beim Gang über den Weihnachtsmarkt. Die Mutter antwortet: „Weil wir ein weltoffenes Land sind.“

Es sieht so aus, als hätten die WN hier eine der 4,9 Prozent AfD-Wählerinnen zu Wort kommen lassen. Denn „weltoffen“ bezieht sich hier vor allem darauf, dass Deutschland in den vergangenen Jahren viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Hätten wir keine Flüchtlinge aufnehmen sollen, so möchte man die Mutter fragen? Gäbe es ohne Flüchtlinge keine Terroranschläge bei uns?

Man möchte diese Mutter auf andere Länder hinweisen. Großbritannien zum Beispiel hat praktisch keine Flüchtlinge aufgenommen. Trotzdem gibt es immer wieder schreckliche Terroranschläge auf der britischen Insel, zuletzt den Anschlag auf die Londoner U-Bahn am 15. September.

Wenn wir kein weltoffenes Land wären, dann wären wir sicherer? Diese Gleichung geht also nicht ohne weiteres auf. Es könnte umgekehrt sogar so sein, dass die Aufnahme syrischer Flüchtlinge unser Land sicherer gemacht hat.

Schließlich versucht die Terrormiliz „islamischer Staat“ den Muslimen einzureden, sie würden von uns verfolgt, unterdrückt und getötet. Aber jetzt fliehen hunderttausende Muslime vor dem IS-Terror und werden von eben den Ländern aufgenommen, die sie angeblich vernichten wollen. Deutlicher kann die menschenverachtende Ideologie des IS nicht widerlegt werden.

Es spielt der terroristischen Strategie in die Hände, wenn wir unsere Gesellschaft spalten lassen in Muslime und Nichtmuslime oder wenn wir uns gegen Flüchtlinge aufbringen lassen. Der internationale Dschihad-Terrorismus bedroht nämlich Muslime genauso wie uns. Und wir werden ihm nur dann wirksam entgegentreten, wenn wir dies gemeinsam mit den Muslimen tun. Natürlich kommt es dabei vor allem auf unsere Sicherheitsbehörden an.

Sich abzuschotten, möchte man dem kleinen Mädchen sagen, bringt keine Sicherheit vor Terrorismus. Und man möchte hinzu fügen: Wie könnte man Weihnachten anders feiern als „weltoffen“?

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