Von Stefan Bergmann, 14.03.2018

Die Straße macht nicht viel her im münsterschen Stadtgebiet.

Die Straße macht nicht viel her im münsterschen Stadtgebiet. Sie zweigt von der Steinfurter ab, zwei Kreisverkehr, ein bisschen Gewerbe, und endet irgendwo am Klinikum: Münstersche Vorstadt-Verbindungsstraßen-Tristesse.

Trist ist auch etwas anderes. Die Straße ist nach Heinrich Austermann benannt. Entscheidungsstarker Wiederaufbaumeister von Münster nach Krieg, und praktizierender Antisemit im Krieg. Als Jurist war er in der Stadtverwaltung verantwortlich dafür, dass Juden enteignet wurden, bevor man sie in die Konzentrationslager deportierte und ermordete. Der Ehrlichkeit halber muss man sagen: Das ist alles keine Neuigkeit. Das städtische Katasteramt schreibt auf ihrer Internetseite darüber. Der Kommentator der WN, Johannes Loy, forderte schon 2013 die Umbenennung der Straße. Die draußen!, Münsters respektables Obdachlosenmagazin, widmete dem Judenfeind Austermann zwei Seiten.

Doch jetzt hat sich Stephan Brinktrine (SPD), Ortsbürgermeister für Münsters Westen, in die Aussage verstiegen, dass „eine Umbenennung der Straße eine Entehrung“ bedeuten würde. Austermann sei ja nicht mehr als ein „kleines Rad“ im Getriebe gewesen. Seltsam viele Nazis haben nachher argumentiert, sie seien ja nur ein kleines Rädchen gewesen.

Aber es ist ja oft so in Getrieben. Fehlt ein kleines Rädchen, dann läuft das alles nicht mehr.

Man muss schon fragen, was Brinktrine dazu bringt, so zu relativieren und damit Austermanns Mitwirken am Holocaust kleinzureden? Erstaunlich ist, dass die Straße nicht schon 2007 umbenannt wurde; damals, als auch der Jöttenweg und die Karl-Wagenfeld-Straße verschwanden. Zu Recht. Sie waren glühende Nazis, die danach noch ein bisschen was Gutes gemacht haben.

Eine derartige Geschichtsvergessenheit und barbarische Gleichgültigkeit hatte man Brinktrine nicht zugetraut und man muss hoffen, dass seine Aussagen, die man gefühlt eher ganz weit rechtsaußen einordnet, nicht unwidersprochen bleiben. Herr Brinktrine, sagen Sie das doch mal Sharon Fehr, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde! Na klar, Austermann hat Juden enteignet und Münster arisiert. Aber war ja nicht so schlimm, oder? Er hat ja danach auch Münster wieder aufgebaut. Da muss man die Sachen mit den Juden ja nicht so hoch hängen…

Es ist an der Zeit, die Austermann-Straße jetzt noch umzubenennen. Es hätte längt passieren müssen. Dass Austermann dadurch „entehrt“ wird ist - mit Verlaub - egal. Er war es, der Menschen entehrt hat. -

Archivtexte Presseausweis

Stefan Bergmann Stefan Bergmann

Beiträge 2018