Von Arno Tilsner, 30.05.2018

Liebe Leser*innen, wegen der Komplexität des Themas

Liebe Leser*innen, wegen der Komplexität des Themas mein Presseausweis in 3 Teilen.

Teil 1: am Freitag letzter Woche ist nicht nur die verbraucher*innenfreundliche europäische Datenschutzverordnung (DSGVO) in Kraft getreten sondern auch das Fluggastdatengesetz (FlugDaG), mit dem alle Fluggesellschaften verpflichtet sind, erweiterte Fluggastdaten aller ca. 170 Millionen Flüggäste, die jährlich von Deutschland ins Ausland oder aus dem Ausland nach Deutschland fliegen, dem Bundeskriminalamt zu übermitteln.

Beim BKA fließen diese Daten ausnahmslos und anlasslos für eine Rasterfahndung zusammen. Einerseits berechtigt der Staat seine Bürger*innen, von ihrer Fluggesellschaft die Löschung der personenbezogenen Daten zu verlangen, andererseits bringt derselbe Staat die personenbezogenen Daten klammheimlich - über das FlugDaG wurde in keinem reichweitenstarken Medium berichtet - in seinen Besitz, um sie für 5 Jahre selbst für Fahndungszwecke zu nutzen und/oder an andere Dienste weiterzuleiten.

Der nicht-öffentliche und vom Zeitpunkt des Inkrafttretens eher zynische Zugriff der Exekutive auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hat mich über das Wochenende über ein vernünftiges Maß hinaus aufgeregt.

Teil 2: Beim ersten Milchkaffe am Montagmorgen, noch bevor der Alltag richtig in den Tritt kommt, drücke ich auf dem Handy den Facebook Button. Bildschirmfüllend bekomme ich eine Einverständniserklärung zu den Datenschutzrichtlinien des Konzerns gezeigt. Anschließend wird nach meiner ausdrücklichen Zustimmung zur Verwendung der Facebook-Gesichtserkennung gefragt.

"Oh, oh", denke ich und drückte auf den link zu den alternativen Möglichkeiten. Ein kleines Kästchen poppt auf. Dort steht sinngemäß zur Wahl: 1. Account löschen oder 2. abbrechen. Abbrechen führt wieder zurück zur Einverständnisseite. Ohne zu löschen oder zuzustimmen komme ich aus der Schleife nicht raus.

Als Folge der gedacht verbraucherfreundlichen Europäischen Datenschutzrichtline stellt mich der Zuckerberg-Konzern am 1. Werktag nach Inkrafttreten knallhart vor die Wahl, der Gesichtserkennung zuzustimmen oder den Zugang zum eigenen Facebook-Account zu verlieren.Indem ich zustimme, gebe ich mein am Wochenende noch furios verteidigtes Recht auf informationelle Selbstbestimmung für die weitere Teilnahme am sozialen Netzwerk her.

Teil 3: Beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos hat die mit ca. 425.000 Mitarbeiter*innen weltweit nicht ganz kleine Beratungsgesellschaft Accenture den teilnehmenden Staaten auf 44 Seiten einen Masterplan "The Known Traveller" vorgestellt. Hinter dieser Initiative stehen die großen amerikanischen Datensammler (Facebook, Google, Amazon und andere), mit dem Vorschlag, die Sicherheitsüberprüfung von Reisenden zu privatisieren.

Grundlage bilden dann die von den Individuen freiwillig den weltumspannenden Datennetzen zur Verfügung gestellten persönlichen Informationen (z.B. ich am Montag mit meiner Zustimmung zu Facebooks Gesichtserkennung), die zu einer digitalen Identität zusammenfließen und so ein auf Schritt und Tritt von Algorithmen überwachtes Reisen möglich machen.

Wer irgendwo irgendeinen Checkpunkt passiert, ist in dieser Demokratie 4.0 kein Unbekannter.

In diesem Konzept hat jede/r gläserne Bürger*in selbst die sie/ihn überwachenden Maschinen ermächtigt.

Archivtexte Presseausweis

Arno Tilsner Arno Tilsner

Beiträge 2018