Von Michael Jung, 06.06.2018

Münster ist eine Stadt mit Geschichte

Münster ist eine Stadt mit Geschichte – vor allem die Promenade ist früher zu einem Ring der Denkmäler geworden. Um nicht wenige von ihnen gab und gibt es Streit. Aufmärsche von Burschenschaften am „Kriegerdenkmal“ an der Westerholtschen Wiese haben dazu geführt, dass dort keine Feier zum Volkstrauertag mehr stattfinden kann. Die NS-Inschrift „Treue um Treue“ passt auch kaum auf Kriegsopfer.

Noch kritischer sehen viele das Traindenkmal am Ludgeriplatz, erinnert es doch an Gefallene aus deutschen Kolonialkriegen. Der Völkermord an Nama und Herero, den deutsche Truppen ab 1904 im heutigen Namibia verübten, wird auch in der 2010 angebrachten Erläuterungstafel nicht beim Namen genannt. Auch wenn es in der Stadtgesellschaft kritische Debatten um die Denkmäler gibt, ist es erst jetzt gelungen, tatsächlich einen neuen Umgang auf den Weg zu bringen. Im Mai beschloss der Rat auf Vorschlag von Kulturdezernentin Wilkens, dass die Geschichte der Denkmäler aufgearbeitet wird und so zu einer kritischen Auseinandersetzung einladen soll. Das ist ein guter Schritt, gerade in Zeiten, in denen die AfD bekannte NS-Relativierer in die Stadtbücherei einlädt und Gäste der Bücherei vor die Tür setzt.

Leider gibt es wenig Raum für wichtige Debatten um Vergangenheit und Identität in unserer Stadt – auch wenn (Hindenburg 2012!) solche Diskussionen bei uns mit Engagement geführt werden. Dem Stadtmuseum ist es genug, jedes Jahr Fotoausstellungen zu den 1960er Jahren zu präsentieren und ansonsten Täufer- und Friedensausstellungen in Endlosschleife zu wiederholen. Das Archiv hat relevante Veröffentlichungen lange eingestellt, und die Volkshochschule ist meist mit dem Absingen endloser Klagelieder beschäftigt. In der Mischung von Selbstmitleid und bräsiger Selbstgenügsamkeit geht leider viel verloren. Gerade heute wäre es wichtig, Debatten anzustoßen, an Umbrüche wie zum Beispiel die Folgen des Ersten Weltkrieges und die demokratischen Anfänge und ihre Gefährdung vor 100 Jahren zu erinnern und zu fragen, was daraus zu lernen ist für die Gegenwart - denn auch in Münster gab es zuletzt Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, gibt es Reichsbürger usw. Das wären spannende Debatten. Doch leider fehlt die Bereitschaft bei vielen städtischen Institutionen, sich als Diskussionsplattform und Katalysator von Debatten zu begreifen, und man ist mit der Verwaltung des Stillstands voll ausgelastet.

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