Von Arno Tilsner, 25.07.2018

Cool bleiben, liebe Leserinnen, liebe Leser, besonders in dieser Woche.

Gleichwarme Lebewesen, zu denen wir Menschen gehören, haben nur ein begrenztes Temperaturfenster, innerhalb dessen ihr Stoffwechsel funktioniert. Es gibt Temperaturrisiken nach unten aber eben auch erhebliche Temperaturrisiken nach oben. Jenseits von 35 Grad kommt der obere Rand des Temperaturfensters für Menschen in den Blick. Diese Schwelle kann in dieser Woche auch in Münster erreicht werden.

Anderswo auf der Welt ist die Überschreitung der 35 Grad Grenze in mehr oder weniger lang andauernden Hitzewellen riskanter Alltag. Eine Steigerung der Oberflächentemperatur auf dem Planeten um weitere 2 Grad wird es nicht bei +2 Grad in Hitzewellen belassen.

Regionen, in denen die 40 Grad Grenze erreicht wird, gibt es heute schon, z.B. in Afrika (Tripoli, da, wo die EU ihre Auffanglager bauen will, Sonntag, 22.7., erwartete 40 Grad). Wenn die Temperaturen im Freien nicht zum Aushalten sind werden Menschen Regionen, in denen solche Temperaturen regelmäßig auftreten, verlassen (müssen).

Der Auszug aus Afrika hat erkennbar begonnen. Auch wenn es den europäischen Nationalisten nicht passt: unsere für uns (noch) offenen Gesellschaften, voll mit industrieller Zivilisation, haben bis heute einen unpassenden Bezug zu Afrika: erst kolonialisierten wir den Kontinent und versklavten einen Teil der Einwohner, danach setzten wir Regime ein, die der Ausbeutung der Rohstoffe und Landflächen nicht im Wege stehen. Regierungen, die sich gegen diese postkoloniale Behandlung auflehnen, werden destabilisiert und weggebombt.

Im 21. Jahrhundert treiben wir mit Macht die Oberflächentemperatur auf dem Planeten hoch und machen damit weitere Teile Afrikas zu unbewohnbaren Zonen. Aus diesem Blickwinkel sind WIR für Afrikaner*innen eine entscheidende Fluchtursache.

Mit der lapidaren Feststellung, die Klimaziele für 2020 seien nicht erreichbar, die Angela Merkel nonchalant über die Lippen ging, macht die Bundeskanzlerin einen für die Zukunft Europas schwerwiegenden Fehler. Sie unterschätzt und ignoriert ein zweites Mal die soziale Sprengkraft, die von Migrationsströmen ausgeht.

Heute geht es nicht mehr nur darum, die selbst gesetzten Klimaziele in den Industrieländern schnellstens zu erreichen. Diese Ziele müssen mit Hilfe von Techniken erreicht werden, die von Afrikanern vor Ort für ihre Energieversorgung nachgebaut werden können. Mit dem flächendeckenden Einsatz von Solarenergie für den Eigenverbrauch sollten wir in den Industrieländern die Dekarbonisierung vorantreiben UND durch Massenproduktion die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen schafen, damit Afrikaner*innen sich mit ihrem weltgrößten Sonnenreichtum selbst elektrifizieren und mit eigener Sonnenenergie unter anderem auch kühlen können.

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