Von Ruprecht Polenz, 31.10.2018

Was war eher: die Henne oder das Ei?

Was war eher: die Henne oder das Ei? Die Frage, „Was muss als erstes kommen?“ ist auch bedeutsam, wenn es um die Umstellung auf Elektromobilität geht. Für viele kommt die Anschaffung eines Elektro-Autos erst dann infrage, wenn es genug Ladestationen gibt. Umgekehrt lohnt sich für ein paar Elektro-Autos ein flächendeckendes Netz von Ladestationen nicht. Jedenfalls wird ein privater Investor für diese Infrastruktur nicht ohne weiteres in Vorleistung treten.

Deshalb sollte die Stadt Münster mehr tun und mit gutem Beispiel voran gehen. Bisher kommt die Anschaffung eines Elektro-Autos nur für jemand infrage, der über eine eigene Garage mit Steckdose verfügt. Das sind vor allem die Bewohner von Einfamilienhäusern. Für Mieter oder Bewohner von Eigentumswohnungen fehlt es an solchen Lademöglichkeiten. Es ist nicht ohne weiteres erlaubt, jeden Abend ein Ladekabel aus dem Wohnzimmer über den Bürgersteig zum Auto zu legen.

Jede Straßenlaterne hat Strom. Es dürfte technisch nicht allzu schwierig sein, diesen Stromanschluss auch als Ladestation zu nutzen. Mieter, die ihr Auto in Wohnungsnähe abstellen wollen und können, sollten solche Straßenlaternen-Ladestationen bei den Stadtwerken beantragen können. Der Strom würde von den „Tankenden“ bezahlt, so dass sich die Investition langfristig sogar rechnen würde.

Bisher ist auch die gegenüber Verbrennungsmotoren geringere Reichweite ein Argument, das viele vom Kauf eines Elektro-Autos abhält, obwohl inzwischen bis zu 500 km durchaus möglich sind. Sieht man sich aber die Fahrleistung insgesamt an, beträgt die durchschnittlich gefahrene Wegestrecke 11,7 km. Mit anderen Worten: Es ist sehr viel Stadtverkehr dabei, bei dem die Reichweite keine Rolle spielt. Eine Investition der Stadt in die Hennen, sprich Ladestationen, dürfte die Zahl der Eier in Form von Elektro-Autos in Münster rasch erhöhen.

Münster könnte bei modernen Mobilitätskonzepten auch noch auf einem anderen Sektor Vorreiter sein. Seit mehreren Jahren testet Uber im amerikanischen Pittsburgh selbstfahrende Autos im normalen Straßenverkehr. In Düsseldorf gibt es seit Juli 2018 eine rund 20 Kilometer lange Teststrecke, die vom Kreuz Meerbusch über das Kaarster Kreuz bis nach Düsseldorf führt, eine typische Pendlerstrecke. Auch anderswo in Deutschland, so im Großraum Karlsruhe, in Braunschweig und Berlin gibt es Testgebiete.

Münster könnte den Autoherstellern anbieten, Modellstadt für selbstfahrende Autos zu werden. Münster mit seinem einzigartigen Verkehrsmix, bei dem Fahrradfahrer ca 40 Prozent des Straßenverkehrs ausmachen, wäre als Modellstadt besonders geeignet. Getreu dem New York-Song von Frank Sinatra: If I can make it there, I`ll make it anywhere.

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