Von Stefan Bergmann, 07.11.2018

Lewe und Sternberg, Judas & Judas.

Judas hat laut Bibel Jesus verraten. Und muss seitdem herhalten für allerlei Unfug, aber auch für einige Katastrophen, beispielsweise den Holocaust. Nun gibt es im Internet ziemlich absonderliche Dinge, die man nicht sonderlich ernst nehmen muss. Täte man dies doch, würde man sich wohl nicht mehr aus dem Haus trauen aus Angst vor den vielen Verschwörern und ihren Theorien - hallo Chemtrail-Anhänger!

Aber es gibt auch Seiten, die einem doch ein bisschen Angst machen, weil sie daherkommen wie eine öffentliche Abschussliste und eine gewisse öffentliche Wirkung entfalten. Ein Beispiel dafür ist die Liste von „Judas Watch“. Der Name legt es nahe: Auf ihr stehen Menschen, die das „Judentum befördern“, aber auch Menschen, seien wir mal nicht so kleinlich „Verräter an der weißen Rasse sind“, Agitatoren oder Subversive. Im Kleingedruckten steht es genauer: Es reicht, wenn man die westliche Vorherrschaft in Frage stellt oder sie relativiert. Juden sind der besseren Erkennbarkeit wegen gleich mit einem (violetten) Judenstern gekennzeichnet.

Im deutschen Bereich der Liste stehen unter anderem Angela Merkel („Wir schaffen das!“), Jutta von Ditthfurth (sie hat deutsche Verbrechen in Togo gebrandmarkt) oder Christian Lindner (Was? Wieso Lindner? Wenn das die Dittfurth wüsste. Er hatte sich in einem Straßeninterview unglaublicherweise nicht dafür ausgesprochen, a l l e Flüchtlinge aus Deutschland in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken). Auch Alice Weidel steht drauf. Sie ist zwar in der AfD (gut!), aber lebt mit einer Frau zusammen (schlecht!). Merke: Eine lesbische Beziehung ist in der Lage, jegliche rassistische Glaubwürdigkeit zu eliminieren.

Nun aber zu des weißen Pudels Kern: Auch Markus Lewe und Thomas Sternberg sind unter den Namen. Vor allem, dass Lewe auf einer vermutlich in Amerika geführten Abschussliste mit „Verrätern der weißen Rasse“ steht, ist doch verwunderlich. Jeder kann auf der Website fröhlich Anwärter aufs Verrätertum melden. Belege werden erbeten. Was hat Lewe sich zuschulden kommen lassen? In 2016 habe er zugegeben, dass die Aufnahme von 3000 Flüchtlingen in Münster 250 Millionen Euro gekostet haben soll. Und im Jahr zuvor hat er einen Preis bekommen für seinen „Dialog mit dem Islam“. Beides reichte den Machern von Judas Watch - und dem heimlichen Denunzianten - wohl aus. Und Sternberg? Er hat als Vorsitzender des Zentralkomitees der Katholiken zum Kirchentag 2016 in Leipzig die AfD ausgeladen. Damit hat er die weiße Rasse verraten, sein Land und überhaupt alles, was Rassisten in Amerika heilig ist. Dass er die AfD 2018 in Münster doch eingeladen hat - ach egal. Das zählt nicht mehr.

Liebe Denunzianten, sollte dieser Text noch nicht reichen für eine Meldung meines Namens bei „Judas Watch“, dann noch dieses: Juden gehören zu Deutschland, der Islam auch - und auch alle anderen, die hier wohnen wollen und unsere Gesetze beachten. Egal, ob sie schwarz, weiß, gelb oder grün-gepunktet sind. Punkt.

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