Von Ruprecht Polenz, 03.04.2019

„Kinder dürfen nicht nach 22.00 Uhr auftreten.

„Kinder dürfen nicht nach 22.00 Uhr auftreten. Oder hat sich die Rechtslage geändert?“ twittert Alexander Kissler, seines Zeichens „Ressortleiter Kultur“ der Zeitschrift Cicero, und mokiert sich über den Auftritt von Greta Thunberg bei Anne Will am letzten Sonntag.

Nein, Herr Kissler. Greta Thunberg muss nicht um 8 ins Bett. Sie ist mit 16 Jahren auch kein Kind mehr. „Kinder dürfen nicht...“ - arroganter kann man den Protest von #fridaysforfuture nicht abbügeln.

If you don‘t like the message, shoot the messenger. Der Kissler-Tweet steht nur stellvertretend für viele Artikel und Kommentare, die sich vor allem mit der Person von Greta Thunberg befassten. Sie spekulierten über den Einfluss ihrer Krankheit (Asperger-Syndrom) auf ihre Aussagen. Sie behaupteten, Greta werde von ihren Eltern vorgeschickt und von zweifelhaften Organisationen unterstützt.

Als ob die Gefahr bestünde, dass durch #fridaysforfuture die 4-Tage-Woche an deutschen Schulen eingeführt würde, empörte man sich landauf landab über Schulschwänzer, statt den Protest ernst zu nehmen und sich mit Klimaschutz und dem Verfehlen der verabschiedeten Klimaziele auseinander zu setzen.

Was ist denn Eure Lösung, werden die protestierenden Schülerinnen und Schüler von genervten Politikern gefragt, als ob der Protest weniger berechtigt wäre, wenn man nicht gleich auch den konkreten Maßnahmenplan zur Verbesserung in der Tasche hat. Nein, wer auf ein Problem aufmerksam macht, muss nicht gleich die Lösung mitliefern. Darum muss sich die Politik kümmern.

Da reicht es auch nicht, die Demonstrantinnen und Demonstranten zu loben und sich als Politiker dem Protest gleichsam anzuschließen, wenn daraus kein konkretes Handeln im eigenen Verantwortungsbereich folgt.

Es ist ja richtig. Das Weltklima wird man von Münster aus nicht retten können. Aber Münster hat ehrgeizige Ziele für den Klimaschutz. Es gibt einen „Masterplan 100 % Klimaschutz“, der 2017 zusammen mit vielen Organisationen und breiter Bürgerbeteiligung fertiggestellt und vom Rat der Stadt als Handlungsgrundlage beschlossen wurde. (https://www.stadt-muenster.de/sessionnet/sessionnetbi/getfile.php?id=410952&type=do)

Er enthält detaillierte Maßnahmen und Entwicklungspfade für die energetische Infrastruktur, den Gebäudebestand sowie den Verkehr der Stadt Münster. Der „Masterplan 100 % Klimaschutz“ zeigt auf, dass eine Stadt wie Münster die globalen Ziele des Klimaschutzes in Verbindung mit einer hohen Lebensqualität erreichen kann.

#fridaysforfuture kann eine wichtige Rolle dabei spielen. Denn Konflikte sind vorprogrammiert. Für die notwendigen Verkehrswende heißt es dort beispielsweise:„Autofreie Innenstadt und autofreie Wohnquartiere schrittweise etablieren“. Politiker werden für diesen Kurs viel Unterstützung brauchen. Sie sollten mit #fridaysforfuture darüber sprechen.

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