Von Michael Jung, 04.12.2019

Die unendliche Geschichte am Hafen

Liebe Leserinnen und Leser,

umstrittener war ein Einzelhandelsprojekt in Münster nie als das von der Firma Stroetmann am Hansaring geplante E-Center. Seit den ersten Planungen sind jetzt fast zwanzig Jahre vergangen, und seit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist klar: Das werden auch noch mehr. Seit Februar ist Baustopp, und die bisherigen Planungen sind gescheitert. Nach verschiedenen Versuchen der Verwaltung, den beklagten Bebauungsplan zu heilen, ist jetzt auch klar. Es wird nur mit einem neuen Planverfahren gehen, das mindestens zwei Jahre dauert.

Das Vorhaben ist für manche zum Symbol einer an Investoreninteressen ausgerichteten Hafenplanung geworden, für andere zum Symbol einer gescheiterten Politik, die dauerhafte Bauruinen zu produzieren droht. Klar ist aber, dass sich hinter dem Einzelhandelsprojekt gerade Dinge tun in Richtung der Osmo-Hallen, die mehr geeignet sind, die soziale Struktur des Viertels mit überteuerten Wohnungen zum Einsturz zu bringen.

Die Gegner versprechen einfache Lösungen - warum nicht einfach Wohnungen statt Einzelhandel? Die Antwort: Weil beim aktuellen Stand neue Wohnungen nur realisiert werden könnten, wenn für Millionen die bisher gebaute Quartiersgarage entfernt würde, um für die Wohnungen die bauphysikalischen Grundlagen zu schaffen. Warum kauft die Stadt nicht einfach? Weil die Eigentümer nicht verkaufen wollen, Enteignung keine rechtliche Option ist, und der Kaufpreis in jedem Falle so hoch wäre, dass die Stadt gar nicht kaufen dürfte und (wenn doch) den Steuerzahlern ein Millionenschaden entstehen würde – zugunsten der Investoren.

Deswegen sind realistische Antworten gefragt. Politik ist die Kunst des Möglichen und nicht der Wille, die Dinge vor die Wand fahren zu lassen. Deswegen sollte statt des E-Centers jetzt eine Markthalle entstehen als Nahversorgungsangebot für das Viertel, eine neue Form von Einzelhandel, die anderswo funktioniert, aber die es in Münster noch nicht gibt. Eine Form, die auch besser zum Hafen passt als der fantasielose Regalsupermarkt für den SUV-Einkauf. Eine Halle, in der es neben regionalen Lebensmitteln auch gastronomische Angebote gibt. Etwas, wo man auch in der Mittagspause gerne mal hingeht anstatt für den Riesenwochenendeinkauf. Das kann ein Neustart für das Projekt werden und ein Kompromiss. Vor allem dann, wenn das Hafenviertel gleichzeitig noch etwas anderes bekommt: Eine Milieuschutzsatzung, die Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentum wirksam verhindert und die Verdrängung beendet. Beides zusammen kann die Gentrifizierung am Hafen stoppen, aber es ist natürlich ein Kompromiss. Einer, der von beiden Seiten Zugeständnisse verlangt. Aber einer, der auch einen echten Mehrwert für’s Hansa- und Hafenviertel bringen kann. Wie genau eine Markthalle aussehen soll, das muss jetzt im Planverfahren geklärt werden. Dieses Mal mit den Bürgern im Dialog, nicht ohne sie.

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