Von Michael Jung, 12.02.2020

Liebe Leserinnen und Leser,

Liebe Leserinnen und Leser,
was für ein Desaster in Thüringen. Zum ersten Mal machen CDU und FDP gemeinsame Sache mit der AfD und wählen gemeinsam im Landtag einen Ministerpräsidenten. Der ist dann drei Tage im Amt, bis er endlich zurücktritt. Und am Ende wollen es alle ja gar nicht so gemeint haben – Christian Lindner, der mittwochs noch SPD und Grüne zur Mitarbeit im Kabinett des Kurzzeit-Ministerpräsidenten aufgefordert hat, zieht freitags die Notbremse und will nichts mehr mit der Sache zu tun haben. Annegret Kramp-Karrenbauer kann ihre Thüringer Parteifreunde nicht zur Raison bringen, und es braucht erst die Rückkehr der Kanzlerin aus dem Ausland, bis zumindest in der Hauptstadt die Union Selbstverständliches wieder formulieren kann: Dass man mit der AfD von Höcke nicht zusammenarbeiten kann, und dass die gemeinsame Wahl einer Regierung ein „unverzeihlicher Fehler“ war.

Was bleibt von dem Erfurter Abenteuer, das ist ein großes Problem. Dass zum ersten Mal die bürgerlichen demokratischen Kräfte die Isolation der AfD aufgebrochen haben, und dass es offensichtlich Leute in diesen Parteien gibt, die einen Regierungschef wie Bodo Ramelow für das größere Übel halten als eine Zusammenarbeit mit einem Mann wie Björn Höcke, den man dank gerichtlicher Feststellung einen Faschisten nennen darf – das ist ein Tabubruch. Und auch wenn in Thüringen nun hoffentlich Neuwahlen stattfinden und eine demokratische Regierung gewählt wird, bleibt die Erfahrung: Hier waren plötzlich Dinge möglich, die schon einmal möglich waren. Und das hinterlässt bei vielen große Sorge um unsere Demokratie.

Während in Münster in der letzten Woche viele Menschen bei der Kundgebung anlässlich des AfD-Neujahrsempfangs im Rathaus deutlich gemacht haben, was die Mehrheit in unserer Stadt von dieser Partei hält, zeigte sich anlässlich der Ereignisse in Thüringen, was auch in der CDU in Münster gärt. Da gratulierte ein CDU-Ratsherr erfreut dem Kurzzeit-Ministerpräsidenten zu seiner Wahl (und bedauerte nur, dass kein CDU-Mann dessen Platz einnahm), und einer seiner Fraktionskollegen schmähte den unterlegenen Ramelow als Linksextremisten. Da zeigt sich dann auch in unserer Stadt, welche Schwierigkeiten die CDU aktuell hat, die Grenze nach rechts sauber zu ziehen. Man kann nicht auf der einen Seite mit SPD und Grünen gemeinsam zu Kundgebungen gegen die AfD im Rathaus aufrufen, und auf der anderen Seite Leuten gratulieren, die sich mit dieser AfD in Regierungen wählen lassen. Man kann nicht gleichzeitig auf beiden Seiten stehen. Die Demokratie verlangt Eindeutigkeit, wenn es um den Umgang mit ihren Gegnern geht. Und es ist gerade vor den Kommunalwahlen im Herbst wichtig, dass die Brandschutzmauer der Demokraten gegen die AfD, die diese Partei in unserer Stadt bisher klein gehalten hat, auch in Münster hält.

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