Von Stefan Bergmann, 30.09.2020

Tja, liebe Grüne:

Tja, liebe Grüne: Ihr habt es Euch selbst vermasselt. Man muss es einfach mal so sagen. Nicht, dass Peter Todeskino ein schlechter Kandidat gewesen wäre. Er hatte klare Vorstellungen und scheute sich nicht, diese zu formulieren. Gemeinsam mit einer (schwarz-)grünen Mehrheit hätte er viel bewegen können. Doch eines fehlte ihm: Empathie, Begeisterung für die Stadt, Gefühl, das Auf-die-Menschen-zugehen. Als oberster Parkplatzwächter der Stadt ist er bürokratisch auf der Höhe, und er sieht ziemlich klar die Probleme der Stadt, beispielsweise Stillstand im Hafen, eine Innenstadt, die im Verkehr erstickt, Bauflächen, die locker-flockig mit platzverschwendenden und sündhaft teuren Einfamilienhäusern bebaut werden. Viel Masse für wenig Wohnraum.
Doch in der Art, wie man Menschen für sich einnimmt, wie man auf ihren Bauch zielt und nicht nur auf den Kopf, wie man ihnen schmeichelt, sie wertschätzt, Ihnen das Gefühl gibt, in der richtigen Stadt zu wohnen - nun: das kann Markus Lewe besser. Politik läuft zu einem Großteil über Psychologie und Bauchgefühl. Das hat niemand so verinnerlicht wie Markus Lewe.
By the way: Herzlichen Glückwunsch, Markus! Dass wir uns duzen, weiß sowieso jeder. Ist ja auch nichts dabei. Wir haben uns trotzdem schon vortrefflich gekabbelt im ein oder anderen Fall.
Die Grünen haben es sich auch vermasselt, weil diese Partei, die ja so aufs gendern setzt, auf Gleichberechtigung, auf LGBT+, auf Frauen-Power - eben eines nicht gemacht hat: Eine Frau als Gegenkandidatin aufgestellt. Die Riege der Oberbürgermeisterkandidaten war eine Riege aus - pardon, es ist nicht so böse gemeint, wie es klingt -: alten weißen Männern. Und die Grünen mitten drin, angekommen im Establishment. Und gerade von Ihnen haben viele etwas anderes erwartet. Meine Prognose: Wäre der grüne Kandidat eine Kandidatin gewesen - der Coup wäre geglückt. Wer wäre in Frage gekommen? Natürlich nur Maria Klein-Schmeink. Ansonsten glänzt niemand in der grünen Spitze. Doch Klein-Schmeink ist nach ihrem Scheitern bei der letzten OB-Wahl in die Berliner Politik gewechselt, hat sich dort einen Namen gemacht als gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Warum sollte sie sich wieder ins münstersche Klein-Klein stürzen? Das hatte schon Christoph Strässer probiert, und war gescheitert. Liebe Grüne: Ihr seid mit ein paar bedenkenswerten Ideen in den Wahlkampf gegangen. Doch Personalpolitik macht Ihr inzwischen wie die Alt-Etablierten Parteien. Da ist nichts frisches, junges, unkonventionelles. Es geht bei Euch inzwischen genauso um Macht und Egoismen, wie bei vielen anderen Parteien. Wir könnten ja mal den durch die Hintertür verjagten Otto Reiners zu diesem Thema befragen. Er hatte den Fehler gemacht, der CDU im schwarz-grünen Bündnis zu viel Grün entgegengesetzt zu haben. Und plötzlich war er weg. Eiskalt abserviert. Geht’s noch?
Der lachende Dritte: Die SPD. Sie darf sich nach Ihrem Desaster nun endlich runderneuern. Den ersten Schritt hat sie gemacht. Mathias Kersting, Ratsherr aus Gremmendorf, ist neuer Fraktionschef, Michael Jung ist abgetreten. Damit ist ein Generationswechsel gemacht und es werden (hoffentlich) neue Sitten einziehen in die SPD.
Vor Jahrzehnten prophezeite Claus-Jürgen Spitzer, ehemaliger Chefredakteur der Münsterschen Zeitung und mein Vorgänger dort, dem damaligen „kleinen“ Bezirksbürgermeister in Süd-Ost, Markus Lewe, eine große Zukunft. Viele hielten Spitzer für spinnert. Aber er sollte Recht behalten. Meine Prognose: Da tut sich schon wieder was in Süd-Ost…diesmal bei den Roten.

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