Von Ruprecht Polenz, 07.10.2020

„Kopf-an-Kopf-Rennen“, „es bleibt spannend“.

„Kopf-an-Kopf-Rennen“, „es bleibt spannend“. So berichteten diverse Live-Ticker über die Stichwahl zum Oberbürgermeister der Stadt Münster. Am Ende hatte sich Markus Lewe (CDU) mit 69.705 Stimmen und 52,6% gegen Peter Todeskino (GAL/Grüne) durchgesetzt, der 47,4% der Stimmen erhalten hatte. Unmittelbar nach Verkündung des Ergebnisses gratulierte Todeskino und wünschte Lewe viel Erfolg für seine dritte Amtszeit.
„Es wird spannend“ heißt es auch für die amerikanischen Präsidentschaftswahlen am 03. November. Aber während alle sicher waren, dass der Unterlegene in Münster seine Niederlage einräumen und dem Sieger gratulieren würde, sät Trump seit einiger Zeit gezielt Zweifel, ob er sich ebenso verhalten würde, falls er die Wahl gegen Joe Biden verliert.
Das ist für eine Demokratie ein ungeheuerlicher Vorgang. Viele Kommentator:innen spielen deshalb alle möglichen Szenarien durch, was passieren könnte, wenn Trump sich weigern würde, seine Niederlage einzugestehen und die concession speach zu halten.
„Der schlimmste Fall ist jedoch nicht, dass Trump das Wahlergebnis ablehnt. Der schlimmste Fall ist, dass er seine Macht einsetzt, um ein entscheidendes Ergebnis gegen ihn zu verhindern“, schreibt Barton Gellmann in einem viel beachteten Artikel in The Atlantik.
theatlantic.com/magazine/archive/2020/11/what-if-trump- refuses-concede/616424/

Er zählt darin die Möglichkeiten auf, die das zwar traditionsreiche, aber auch komplizierte amerikanische Wahlrecht für solche Manipulationen bietet.
Trump und die Republikaner gehen davon aus, dass ihnen eine höhere Wahlbeteiligung tendentiell eher schadet. Deshalb versuchen sie, die Stimmabgabe per Brief zB durch eine gezielte Schwächung des US-Postal-Service zu erschweren. Denn in Corona-Zeiten tendieren viele Amerikaner dazu, ihre Stimme lieber per Brief abzugeben, als vor überfüllten Wahllokalen in der Schlange zu warten.
Wir alle bekommen mit, wie Trump systematisch und grundlos die Briefwahl einfach mit Fälschung gleichsetzt, damit er später bei jedem Wahlergebnis behaupten kann, es sei gefälscht.
Zwar sind die Wahlmänner, die in jedem Staat gewählt werden, gehalten, im Electoral College die Stimmen für den Kandidaten abzugeben, den das Volk mehrheitlich gewählt hat. Aber wenn in umstrittenen Staaten das Wahlergebnis vom dortigen Parlament in Zweifel gezogen wird, könnten sie die Weisung bekommen, sich anders zu verhalten.
Am Ende entscheidet der Supreme Court - dessen Zusammensetzung Trump gerade ändert. - Es bleibt also spannend in den USA, weit über den Wahltag hinaus. Die USA, vollständig mit sich selbst beschäftigt und in einen tiefen Verfassungskonflikt verstrickt - das wären auch für Deutschland und die Welt sehr schlechte Aussichten.
PS: Nach Abgabe des Presseausweis wurde die Corona-Erkrankung bekannt. Ich wünsche Donald Trump und seiner Frau Melanie, dass die Krankheit glimpflicher verläuft als bei den vielen Amerikaner:innen, die er durch seine chaotische Corona-Politik gefährdet hat und die schwer gelitten haben oder verstorben sind. Und den USA wünsche ich auch deshalb einen anderen Präsidenten. - Ruprecht Polenz

Archivtexte Presseausweis

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