Von Arno Tilsner, 14.10.2020

Durch Erziehung und Erfahrung wissen wir,

liebe Leserinnen, liebe Leser, dass wir mit der Sommergarderobe nicht durch den Winter kommen.
Genau diesen Versuch, mit dem SommerSet zu überwintern, machen die für Volksgesundheit und öffentliche Ordnung zuständigen Ämter im Umgang mit der Pandemie. Man kann den Verantwortlichen zugute halten, dass es für uns alle keine vollständige Wintererfahrung mit Covid 19 gibt. Aber es gab schon starke Hinweise (Ausbrüche in Schlachthöfen) für deutlich effizientere Verbreitungsbedingungen des Virus bei niedrigeren Temperaturen.
Schauen wir kurz zurück: SARS-CoV-2 zog im ausgehenden Winter 2019/20 in Deutschland ein und brachte die Gesundheitsämter Mitte März bei der Nachverfolgung von Infektionsketten an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Mit einem Lockdown zog die Regierung die Notbremse. Dieser radikale Schritt führte zu einem beispiellosen Wirtschaftseinbruch, dämpfte allerdings ebenfalls deutlich das Infektionsgeschehen.
So wurden in der 14. KW vom 30. März bis zum 5. April 36.855 Neuinfizierte vom RKI gemeldet. Fünf Wochen später, vom 4. - 10. Mai waren es nur noch 10.755.
Mit diesem Erfolg gingen wir in den Sommer. Bund und Länder hatten sich verständigt, bei mehr als 50 Neuinfizierten pro 100.000 in den Landkreisen und kreisfreien Städten der Ausbreitung des Virus mit lokalen Restriktionen entgegenzuwirken. So kamen wir gut durch den Sommer.
Schlag 38. KW (14. - 20. September) ändert sich die Situation. Der Prozentsatz der positiv Getesteten, der für 3 Monate unter 1 gelegen hatte, verdoppelt sich. Das Virus zeigte an, dass es sich im Herbst doppelt so effizient verbreitet und bringt damit - regional zunächst unterschiedlich - Gesundheitsämter wieder ans Limit ihrer Nachverfolgungsmöglichkeiten. Die Karte der Risikogebiete in NRW färbt sich zunächst orange (35 pro 100.000) und schnell zunehmend rot (50 pro 100.000).
Was können wir als Individuen und als Gesellschaft tun? Wenn das Virus seine Verbreitungseffizienz verdoppelt, müssen wir unsere Schutzmechanismen (mindestens) verdoppeln. Verbreitet sich das Virus in den vor uns liegenden vier dunklen Wintermonaten dreimal effizienter als im Sommer, müssen wir unseren Schutz verdreifachen. Gewiss laufen wir mit dem im Sommer ausreichenden Schutz im Winter direkt in den Lockdown.
Konkret bedeutet das für die Gesundheitsämter: sie müssen sich unverzüglich in den Stand setzen, für 100 Infizierte pro 100.000 die Nachverfolgung durchzuführen, um Infektionsketten zu unterbrechen. Wir müssen die Arbeit der Ämter unterstützen, indem wir - wenn wir uns als Gruppe irgendwo in öffentlichen oder privaten Räumen treffen - eine wahrheitsgemäße Liste über die Zusammengekommenen führen. Wer seine Daten nicht auf einer Liste sehen will, sollte sich einfach nicht treffen. Die beiden Punkte sind nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was uns vor einem Lockdown bewahren kann. Sie deuten allerdings an, dass wir nur erfolgreich sein können, wenn wir einander zuarbeiten.
Zum Schluss dieses Presseausweises noch ein Satz zu Schulen und Kitas: auch hier wird von den meisten Trägern versucht, mit Lüftungskonzepten des Sommers durch den Winter zu steuern. Was für ein Behelf und was für ein Risiko für die Gesundheit aller, besonders der ohnehin knappen Lehrkräfte. Es gibt auf dem Markt mobile Luftfilter, die die Viren in einem Klassenraum zu 99% eliminieren. Wenn wir gegen das Virus gewinnen wollen, müssen wir nutzen, was wir können. Das bedeutet zum einen, Geld in die Hand zu nehmen und dort zu investieren, wo es unmittelbar hilft. Zum anderen müssen die Behörden lernen, Verantwortung für die notwendige Logistik zu übernehmen. Ja, es ist schwer, geeignetes Personal zu finden. Aber es ist notwendig.

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