Von Stefan Bergmann, 21.10.2020

„Wir werden in einer paar Monaten einander viel verzeihen müssen“

Sagte wer? Gesundheitsminister Jens Spahn, ein pragmatischer Westfale. Klingt etwas pathetisch, finden Sie? Womöglich. Die Erklärung liefert er mit dazu: Noch mussten Politiker so harte Entscheidungen treffen auf Grundlage von nur ungefährem Wissen. Wohl war.

Dass im Sommer viele Urlauber zurückkehren und das Virus mitbringen war indes kein ungefähres Wissen. Eswar absehbar, dass die Sommerferien irgendwann enden. In Berlin schien dies Botschaft quasi erst am letzten Ferientag angekommen zu sein. Es kam, wie es kommen musste: Es gab ein Test- und Vorschriftenchaos.

Dass die Schulen irgendwann wieder öffnen - oft ist dies ja zum Ende der Sommerferien der Fall - war irgendwie auch absehbar. Und doch hatte man den Eindruck, also ob sich die gesammelte Lehrerschaft erst in der letzten Woche darum kümmert, wie das eigentlich funktionieren soll. Und überdies schien es, als dass sie in ihren Planungen von höherer Stelle ziemlich alleine gelassen wurden - weshalb jede Schule in Münster gerade ihren eigenen Weg geht. Maske auf, Maske ab. Freiwillig im Unterricht, vorgeschrieben in den Gängen. Wer soll da durchblicken?

Mit dem Beherbungsverbot hat sich das föderale System in Deutschland selbst vorgeführt. Von Virologen als unsinnig bezeichnet, haben es doch einige Ministerpräsidenten durchgesetzt - und scheiterten vor ihren eigenen Verwaltungsgerichten. Anstatt beim Kanzlergipfel eine einheitliche - und wohl auch drastischere Linie - zu finden, floh man auf diese Nebenkriegsschauplätze. Unwirksam, aber eindrucksvoll. Man glaubt es nicht…

Wenn es wahr ist - und einiges spricht dafür - dass junge Menschen und private Familienfeiern die wahren Virus-Treiber sind: Warum wird dies nicht deutlicher kommuniziert? Von allen staatlichen und auch städtischen Institutionen? Warum keine schärferen Regeln, härteren Strafen? Stattdessen sitzt man wie ein Kaninchen vor der Schlange und wartet und hofft ob mit milden Maßnahmen alles wieder gut wird.

Nein, ich fordere hier keinen Lockdown. Er war im Frühjahr unnötig, und ist es auch jetzt. Im Frühjahr wusste man fast nichts über das Virus, insofern ist diese Extremreaktion aus Berlin nachvollziehbar, wenn auch übertrieben (siehe Spahn-Zitat oben). Was ich aber fordere, ist zum Beispiel ein Ende dieser dummen Debatte über Spalt-….nein: Heizpilze bei den Gastronomen. CDU und FDP in Münster haben sich inzwischen für eine Erlaubnis ausgesprochen. Bei Grünen und SPD kein Wort darüber. Wie lange wollen Sie warten? Bis der erste Frost kommt? Menschenmassen in engen Kneipen, weil es draußen stürmt und fröstelt sind das schlechteste, was wir uns derzeit wünschen können. Es wäre eine Hilfe für alle Beteiligten, wenn sich die Politik ausnahmsweise einmal schnell und klar äußern könnte. Sie fordern doch auf allen Ebenen die Mitsprache und wollen die Corona-Strategie nicht nur der Exekutive überlassen. Dann mal los!

Die Pilze kosten ein Heidengeld und sind vermutlich bald vergriffen. Und ja, Heizpilze sind eine Umweltsünde. In normalen Zeiten sind sie unnötig wie ein Kropf. Aber was ist derzeit schon normal. Logisch, das Grüne und SPD dieses Thema gerne meiden. Eigentlich können sie den Dingern nicht zustimmen. Und doch wäre es Zeichen, wenn Sie es täten: Wir sind bereit, über unseren Schatten zu springen um womöglich Menschenleben zu retten. Zu pathetisch finden Sie? Glaub ich nicht. Nur vernünftig. - Stefan Bergmann

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