Von Stefan Bergmann, 10.02.2021

Bedenkt das Jahr 2011! könnte man den Grünen zurufen.

Bedenkt das Jahr 2011! könnte man den Grünen zurufen. 2011, was war da noch gleich? Es war das Jahr, in dem die Bundesgrünen davon träumten, in die Regierung gewählt zu werden. Und damit niemands die Grünen ins Blaue hinein wählt, wurde vorher rabenschwarz verkündet: Wählt Ihr uns, kriegt Ihr mehr Steuern ab 80.000 Euro Einkommen. Einen Veggy-Donnerstag. Höhere Preise für Kerosin und Benzin.

Das Projekt scheiterte. Die Verbots-Partei hatte erneut ihre Fratze gezeigt. Sie hat draus gelernt. Robert Habeck und Annalena Baerbock halten die Grünen derzeit windelweich auf Schmusekurs. Selbst der Söder ist entzückt und redet ungefragt in jeder Talkshow schwarz-grün herbei. Von der CSU angeflirtet zu werden: Was ist da passiert, liebe Grüne?

Im Januar haben es die kleinen Grünen wieder in Münster probiert. Steingärten verbieten! schallte es aus der Partei. Damit wir uns einig sind: Diese „Gärten“, steingewordene Faulheit ambitionierter Einfamilienhausbesitzer, sind eine ökologische Katastrophe. Keine Biene, keine Hummel fühlt sich dort wohl. Von Blumen ganz zu schweigen. Gerade die sollen ja vermieden werden. Kein Unkrautzupfen, kein Beschneiden und dann einmal im Jahr heimlich Roundup drauf. Aber muss man sie verbieten? Die Öko-Pessimisten sagen Ja, weil mit Freiwilligkeit kommt man da nicht weiter. Die Freigeister sagen Nein. Denn nicht alles, was nicht schön oder schädlich ist, muss auch gleich verboten werden. Und mitunter führen Verbote auch in münsterschen Wohngebieten zu trister Vorstadt-Ödnis. Alles sieht gleich aus, architektonische Individualität nicht erwünscht. Rote Dächer, rote Mauern, Buchs im Vorgarten: So sehen ordentliche Häuser aus.

Wohlan: Ich bin ein Feind von Verboten. Ich verbiete niemandem Fleisch, obwohl ich Vegetarier bin. Ich gönne jedem sein Auto, obwohl ich Radler bin. Und wenn sich mein beschränkter Nachbar Schotter in den Vorgarten kippt - dann finde ich das hässlich. Vielleicht streue ich auch nachts heimlich eine Tüte Gräsersamen drüber. Und vielleicht wäre ein Verbot gut für alle Unbelehrbaren. Aber vielleicht würde ja eine Tüte pflegeleichter Pflanzen, städtische gesponsert, dazu animieren, ordentliches Grün anzulegen.

Ganz ordentlich grün wird die Rathauspolitik in den nächsten Jahren. Schon einmal, 2014, ist rot-grün damit gescheitert, Teile der Innenstadt autofrei zu machen. Weil auch damals ein schlichtes Verbot im Raum stand. Hoffentlich wiederholt rot-grün-lila diesen Fehler nicht. Wenn die Alternativen zum Auto so gut und so billig sind, dass es zur persönlichen zweiten Wahl wird, dann kann man das Ziel erreichen. Ein solches Unterfangen darf nicht durchgeboxt werden, sondern muss im Konsens entstehen. Mit Kaufleuten, Anwohnern und Gästen. Ich empfehle allen, die Münsters jetzige abgasgeschwängerte Luft für das Non-plus-ultra halten, ein Besuch im holländischen Groningen. Sorry Münster: Von dieser fußgänger- und radfahrfreundlichen Aufenthaltsqualität ohne Auto bis Du noch meilenweit entfernt. Da reichen ein paar Prinzipalmarkt-Kulissen nicht aus. Der Verzicht aufs Auto und - wer meine Presseausweise brav liest: ceterum censeo - auf die Busse in der Innenstadt sind nur e i n Schritt. Aber nicht der erste und nicht der letzte. - Stefan Bergmann

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