Von Stefan Bergmann, 05.05.2021

Es ist schon ein Husarenstück

was da gerade in Rat und Verwaltung der Stadt Münster läuft. Die Kurzform der Geschichte lautet so: Bund und Land haben noch Geld, die Stadt auch ein bisschen. Lasst uns eine Brücke bauen. Für Radfahrer. Damit die Grünen nicht wieder rummeckern. Bismarckallee wär super. Das sind ja immer viele Radler, die über die Weseler wollen.

Man könnte auch sagen: Da wollen einige politische Kräfte viel Geld ausgeben für ein Prestigeobjekt, das zwar nice to have, aber nicht wirklich vonnöten ist. Flying high in der Politik für den Fly over die Weselerstraße. Was genau haben die geraucht?

Der „Fly over“ - hochfliegender Traum für ’ne Handvoll Radler (Fotohinweis: Stadt Münster)

Aber dröseln wir es doch mal auf. Für die Leezen-tacko-Strehle (Fahrrad-Schnell-Straße) spricht einiges: Das Fahrrad wird wichtiger, seit Erfindung der E-Bikes ist die Entfernung Senden-Münster kein Problem mehr. Passend dazu kommt der Fernradweg mit genau dieser Route. Es dürften also demnächst eher mehr als weniger Radler über diese Kreuzung kommen. Ebenso positiv: Die Niederlande machen es uns seit Jahren vor, wie man Radverkehr begünstigt. Brücken und Straßen nur für Räder - das ist bei unseren Nachbarn normal. Das alles ist teuer, aber auf lange Sicht rechnet es sich, denn je bequemer es ist, desto mehr Menschen steigen aufs Rad um. Hinzu kommt: Die Aegidiikreuzung ist ein verkehrstechnischer Alptraum, Verkehrsgewühl, halbherzig gemaßregelt von Ampeln, die zudem gerne mal ignoriert werden.


Und was spricht dagegen? Vielleicht die Tatsache, dass im ersten Gutachten eines Hildener Büros der Fly over abgelehnt wird, in der überarbeiteten Fassung jedoch gefordert. Man hatte vergessen, die Auswirkungen der neuen Velo-Route Senden-Münster zu beachten. Die soll dafür sorgen - hört, hört! - dass sich die Radfahrerzahl an genau dieser Stelle verdoppeln wird. Mit Verlaub: Diese 180-Grad-Wende ist suspekt und befördert den Verdacht, dass hier ein Projekt herbeivergegutachtet werden soll auf Geheiß von maßgeblichen städtischen Stellen. Und auch, wenn es nicht so ist und die falsche Ersteinschätzung - leider, leider - nur ein Versehen war: Die Zahlen rechtfertigen die Zehn-Millionen-Euro-Investition immer noch nicht (übrigens alles Steuergeld, auch wenn es aus Kassen von Bund und Land kommt). Kostprobe? Quelle für alle Zahlen: Die Gutachter. Also: 2600 Radler nutzen täglich die Überquerung Promenade-Bismarckstraße. Das sind 108 pro Stunde. 1,8 pro Minute. Zuwenig, um die Brücke zu fordern, so die Gutachter im ersten Aufschlag. Doch wenn - oh Graus - sich die Zahlen bald verdoppeln? Nun, dann sind es ganze 3,6 Radler pro Minute, die da queren. Die verdaut eine mittelmäßig intelligent geschaltete Ampel problemlos. Wie man das bitte rechtfertigen will, ist schleierhaft. Stefan Bergmann

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