Von Stefan Bergmann, 19.05.2021

"Jetzt machen wir",

steht breitbeinig über der Website der Grünen in Münster. Endlich an der Macht, mit Hilfe von SPD und Volt. Fakt ist: Grün macht jetzt nichts mehr. Matthias Kersting, SPD, ist aus seiner Partei ausgetreten und wechselt zur CDU. Das gab er gestern bekannt. Für die Grüne-SPD-Volt-Koalition ein Super-Gau, denn damit ist ihre Ein-Stimmen-Mehrheit perdu. Die Grünen haben hoch gepokert in den Koalitionsverhandlungen, und haben verloren.

Nun denn, dann kehren wir doch mal die Scherben weg im Rathaus.

Matthias Kersting, das ist kein Geheimnis, stand immer zurück hinter dem Ex-spiritus-rector der SPD-Fraktion, Michael Jung. Dass er dessen hardcore-links-Kurs und wohl auch seine ganze Art nur selten offen unterstützt hat, ist kein Geheimnis. Jung trat nach seiner Schlappe bei der OB-Wahl zurück.

Wen verliert die SPD mit Matthias Kersting denn da? Ihren künftigen Oberbürgermeister-Kandidaten. Er war der einzige, dem zuzutrauen war, ein SPD-Programm - oder sagen wir: ein linkes Programm - Münster-kompatibel mehrheitsfähig zu machen. Der mit den Menschen kann. Der konstruktiv und hart diskutiert, und trotzdem fair bleibt.Ein menschenfreundlicher Mensch, halt

Die Koalitionsverhandlungen zwangen ihn, sich zu verbiegen. Das Auto: Der Feind. Der Flughafen: Noch ein Feind. Die Parkhäuser und Parkplätze in der Innenstadt: Ein dritter Feind. All' das stellten die Grünen zur Disposition. Die SPD ging zähneknirschend mit. Zu groß war die Lust auf die Macht, die sie Mitte der letzten Legislaturperiode, als die Grünen plötzlich mit der CDU ins Bett sprangen, verloren hatte. Zu groß die Kränkung.

Was liegt noch am Boden? Die münstersche SPD, jetzt endgültig. Schon immer war die Partei in Münster gespalten. Hier die linken (Fastermann, Jung, von Olberg), dort die gemäßigten (Kersting und einige, die sich nicht so richtig aus der Deckung wagen). Man könnte sagen: Hier die Fundis, da die Realos. Bei den Bundes-Grünen haben die Fundis gemerkt, dass man mit der reinen Lehre keine Mehrheiten gewinnt. Bei der münsterschen SPD muss die Erkenntnis noch wachsen.

Die Personal- und Machtpolitik der SPD in den letzten Jahren hat gezeigt: Um ihre angeblich hehren Ziele zu erreichen, geht sie über Leichen. Und vergrault dafür sogar den einzigen Mann aus ihren Reihen, der Oberbürgermeister kann.

Auch die Grünen liegen dort im Scherbenhaufen. Während die Bundespartei erkannt hat, das man mit Verboten, Feindbildern und moralisierendem Getue keine Menschen gewinnt, sind die münsterschen Grünen - benebelt vom Erfolg - zurück in die Verbotspartei-Ecke geschlüpft. Mit höchsten moralischen Ansprüchen und einer weitestgehenden Ignoranz der "einfachen" Menschen.

Aber gut, dort können Sie es sich jetzt gemeinsam mit der SPD gemütlich machen. Bis das neue schwarz-grüne Bündnis wiederbelebt wird - und die Grünen plötzlich wieder total kuschelig sind. - Stefan Bergmann

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