Von Ruprecht Polenz, 26.05.2021

„Willkommen im größten Fahrradparkhaus Deutschlands,

dem Zuhause für ihr Rad.“ – So wirbt die Radstation im Hauptbahnhof für ihre Service-Angebote. Mit seiner spektakulären Architektur signalisiert das vor 20 Jahren durchaus umstrittene Fahrradparkhaus: Münster ist Fahrrad-Stadt.

Zwar hat Münster den Titel „fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands“ seit zwei Jahren an Karlsruhe verloren. Aber beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass Münster hier Opfer des eigenen Erfolgs geworden ist. In Karlsruhe beträgt der Fahrrad-Anteil am Gesamtverkehr 30 Prozent, in Münster liegt er bei über 40 Prozent. Kein Wunder, dass es eng wird auf vielen Fahrradwegen. Und das schlägt sich natürlich bei der Zufriedenheit der befragten Fahrradfahrer:innen nieder.

Deshalb investiert die Stadt in Velorouten in die Nachbargemeinden, Fahrradstraßen und Verbesserungen für Fahrradfahrer an Kreuzungen und Knotenpunkten. Alle demokratischen Parteien im Rat haben sich dem Ziel verschrieben, den Anteil des Fahrrad-Verkehrs auf 50 Prozent zu steigern.

Vor diesem Hintergrund verwundert der Streit über den Flyover zur Verbindung der Promenade mit der Bismarckallee. Täglich mehr als 6000 Fahradfahrer:innen würden auf einer kühn geschwungenen Fahrrad-Brücke kreuzungsfrei, sicher und bequem über die Weseler Straße in den Südwesten der Stadt und weiter über die neue Veloroute bis nach Senden fahren können.

Es wäre ein Paukenschlag wie das Fahrrad-Parkhaus vor 20 Jahren. Nirgendwo in Deutschland würde ähnlich sichtbar in die Verkehrswende investiert. Wer sich eine vergleichbare Bevorzugung des Fahrradverkehrs ansehen will, muss bisher nach Kopenhagen fahren.

Ein Leuchtturm für nachhaltige Mobilität. Nur deshalb wollen Land und Bund das spektakuläre Bauwerk zu 94 Prozent finanzieren. Die geschätzt 10 Mio € für den Flyover stehen also nicht für eher kleinteilige Verbesserungen für Radwege zur Verfügung.

Es ist gut investiertes Steuergeld. Denn es zeigt die veränderten Prioritäten bei Verkehrsinvestitionen. Für 10 Mio € könnte man ca 1 km Landstraße bauen - ohne Brücke, versteht sich. An diese Kosten haben wir uns gewöhnt. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, für den Fahrrad-Verkehr mehr Geld in die Hand zu nehmen.

Drum prüfe ewig, wer sich nicht entscheiden kann. Nach diesem Motto haben Grüne, SPD und Volt in der letzten Ratssitzung einen umfangreichen Fragen- und Prüfkatalog vorgelegt, der allenfalls indirekt mit dem Flyover zu tun hat. Man spielt auf Zeit, verschleppt und verzögert die Entscheidung. Grüne, SPD und Volt riskieren damit, dass Bund und Land ihre Förderzusage zurückziehen. Wer weiß, vielleicht gibt es ja in Karlsruhe einen Verkehrsknotenpunkt, der sich für Fahrradfahrer:innen überbrücken läßt. - Ruprecht Polenz

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