Von Ruprecht Polenz, 21.07.2021

„Warum fährt der Blödmann denn nicht auf dem Radweg?

Wozu sind die denn da?!“ Kopfschütteln, Gestikulieren beim Überholen, vielleicht sogar ärgerliches Hupen. - Das soll sich in Münster ändern.

Den Anfang machen große gelbe Schilder: Radfahren auf der Fahr-bahn erlaubt. Der Grund ist einfach: die Radwege fassen den zunehmenden Fahrradverkehr nicht mehr. 40 Prozent al-ler Wege legen die Münsteraner:innen mit der Leeze zurück. Und es sollen noch mehr werden.

Damit das Radfahren auf der Straße sicher ist, dürfen Autos nicht viel schneller fahren als Radfahrer. Deshalb will sich die Stadt Münster zusammen mit Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig und Ulm an einem Modellversuch beteiligen, der Tempo 30 als innerstädtische Höchstgeschwindigkeit festlegt, Ausnahmen können für bestimmte Hauptverkehrsstraßen gemacht werden, auf denen weiter Tempo 50 gilt.

Voraussetzung dafür ist, dass die nächste Bundesregierung die Straßenverkehrsordnung so ändert, dass diese Modellversuche möglich werden. Die Chancen dafür stehen gut, denn es ist überparteilicher Konsens, den Fahrradverkehr zu fördern und Innenstädte vom Autoverkehr zu entlasten.

Kein/e Autofahrer:in muss deshalb Angst haben, langsamer vorwärts zu kommen. In Münster liegt die durchschnittliche innerstädtische Geschwindigkeit bei 30 km/h. Zur Rush-hour geht es auf bestimmten Strecken deutlich langsamer voran.

Tempo 30 ist eine Grundsatzentscheidung für mehr Lebensqualität in den Innenstädten, die in Europa schon in über 160 Städten so getroffen worden ist, darunter in Paris, Lyon, London, Manchester, Mailand, Bologna, Graz und Amsterdam. Auch in Münsters englischer Partnerstadt York gilt innerstädtisch 20m/h, was 30 km/h entspricht.

Die innerstädtische Höchstgeschwindigkeit soll sich nicht länger allein an den Möglichkeiten des Autos orientieren, sondern auch den Radverkehr mit in den Blick nehmen.

Durch die Beschränkung auf Tempo 30 innerorts soll die Leistungsfähigkeit für den Verkehr "nicht eingeschränkt, die Aufenthaltsqualität dagegen spürbar erhöht" werden, so die sieben Städte zur Begründung ihrer Initiative für die Tempo-30-Modellversuche. Vorteile des Projekts seien auch eine sicherere Umgebung für Radfahrer:innen und Fußgänger:innen, eine Reduktion des Verkehrslärms sowie eine geringere Luftbelastung.

Der Tempo-30-Modellversuch kann Münster dem von allen Parteien geteilten Ziel einer autoärmeren Innenstadt ein großes Stück näher bringen. Das Schöne daran ist außerdem: es kostet nicht viel, denn man muß keine teuren Umbauten an den bestehenden Straßen machen.

Und weil von den Skeptiker:innen ganz sicher das Feuerwehr-Argument wieder kommt: Mit Martinshorn und Blaulicht darf die Feuerwehr jetzt innerorts schneller fahren als 50 km/h. Das bleibt auch bei Tempo 30 so. Ruprecht Polenz

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