Von Ruprecht Polenz, 15.09.2021

„Weniger Lärm, weniger tödliche Unfälle

und die Mehrheit der Bürger will es so: Seit heute gilt in Paris auf den meisten Straßen ein Tempolimit von 30 km/h,“ meldete die Tagesschau am 30. August.

Ein Zusammenprall mit einem 50 km/h fahrenden Auto sei für einen Fußgänger zu 80 Prozent tödlich, sagt die Weltgesundheitsorganisation. Bei 30 Kilometern pro Stunde dagegen nur zu zehn Prozent. Der Lärm reduziert sich um drei Dezibel, was Anwohner:innen wie eine Halbierung empfinden, wie auch das deutsche Bundesumweltamt bestätigt.

Paris hat sich dafür entschieden, die Innenstadt nicht länger nach den Möglichkeiten von Autofahrer:innen zu organisieren, sondern vor allem nach den Bedürfnissen der schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen und Anwohner:innen. Mit Ausnahme der Ringstraße Peripheric und wenigen Straßen, wie den Champs Elysees, gilt überall in der inneren City Tempo 30. Kein Flickenteppich von Tempo-30-Zonen, sondern flächendeckend. Man weiß überall, woran man ist.

Eine ähnliche Grundsatzentscheidung sollte auch Münster treffen, sobald der Bund die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen hat. Mit Ausnahme des 2. Tangentenrings wie Orleans- oder Niedersachsenring und der großen Einfahrts- und Verbindungsstraßen wie Steinfurter- oder Weseler Straße sollte überall innerhalb des 2. Tangentenrings Tempo 30 gelten. Als Konsequenz der Grundsatzentscheidung, leicht erkenn- und befolgbar für jede:n.

Deshalb verwundert, dass die Stadt jetzt in einem Verkehrsversuch Tempo 20 an der Wolbecker Straße testen will. Man möchte den Verkehrsraum zwischen Autofahrer:innen, Fahrradfahrer:innen und Fußgänger:innen neu aufteilen und die Straße deshalb durch allerlei Umbauten neu gestalten.

Die Anwohner:innen sollen in einen umfangreichen Beteiligungsprozess eingebunden werden. Mit „aufsuchender Beteiligung“ will die Verwaltung ihre Ideen und Bewertungen ergründen. So weit, so gut. Aber warum braucht es dafür Tempo 20? Warum geht dann Tempo 30 nicht mehr? Der Verwaltungsbericht an die Bezirksvertretung Mitte und den Verkehrsausschuss schweigt sich darüber aus.

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass es den Anwohner:innen umso besser gefallen wird, je weniger Verkehr noch durch diesen Abschnitt der Wolbecker Straße vom Hansa-Ring bis Servatii-Platz fließen wird. Wir alle würden am liebsten am Ende einer Sackgasse wohnen.

„Als Transitraum ist die Wolbecker Straße eine wichtige Verbindung und Klammer zwischen der Innenstadt und dem Umland,“ heißt es in dem Verwaltungsbericht auch. Wie man untersuchen will, wie sich die geplanten Veränderungen auf diese Funktion auswirken, sagt die Verwaltung nicht. Von „aufsuchender Befragung“ in Wolbeck oder gar Everswinkel ist nicht die Rede. - Ruprecht Polenz

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