Von Arno Tilsner, 23.03.2022

Der 21. Februar, liebe Leserinnen, liebe Leser,

war ein nasskalter, windiger Montag.

Der 21. Februar, liebe Leserinnen, liebe Leser, war ein nasskalter, windiger Montag. Der WDR hatte mich um einen kurzen 'Draußen-Dreh' gebeten. Es ging um die im Bau befindliche Enapter-Fabrik in Saerbeck, wo 2023 die weltweit erste Großserienfertigung von Elektrolyseuren zur Herstellung von GRÜNEM Wasserstoff starten soll. Wir, als frühe Anwender dieser Technik, sollten mit ins Bild*. Es entwickelte sich rund um den Dreh mit dem WDR-Team eine interessante Diskussion über den Stand der Energiewende. Zum Leidwesen des Redakteurs blieb ich dabei, dass wir am 52. Breitengrad in Münster nur messen und testen, uns aber nicht mit imensem Investitionsaufwand vom der preiswerten Nutzung russischer Gaslieferungen abwenden wollen und werden.

Drei Tage später marschierten Truppen der russischen Föderation in die Ukraine ein. Ein Angriffskrieg, der die auch von mir lange gehegte Illusion, in jedem Genossen stecke auch ein guter Kern, mit einer Handbewegung vom Tisch fegte. Der Genosse Putin hält sich lieber an die entscheidenden Worte aus Goethes 'Erlkönig', "... und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt." Wir alle in den Ländern der Europäischen Union finanzieren Putins Gewaltorgie mit ca. einer Milliarde EUR pro Tag. Sofortiger Lieferstop für Gas, Öl und Kohle geht nicht. Energiesüchtig hängen wir an Putins Stoff. Wie weit hängen wir wirklich daran?

Wir haben seit 9 Monaten tagesaktuelle Messungen über die einstrahlende Solarenergie an einem südlichen und einem nördlichen Messpunkt in Europa durchgeführt (s. nebenstehende Tabelle). Zwischen diesen beiden Messpunkten liegt der größte Teil der süd-west europäischen Landmasse. Wenn wir die grüne Linie bei 175 Wattstunden pro 100 Watt/peak Modulleistung im Tagesdurchschnitt (peak = egal von welchem Modul) als Basisversorgung definieren, ist zero-Putin energiemäßig im südlichsten Europa sofort möglich. Bis auf ganz wenige Tage im Dezember liegen alle Werte oberhalb der grünen Linie. Im Norden des Kontinents klafft dagegen für 4 Monate eine eklatante Winterlücke - Winter eben :-))

Wer im Norden Europas eine Energieversorgung zero-Putin und eigentlich noch wichtiger zero-CO2 realisieren will, muss die viermonatige Winterlücke (November, Dezember, Januar, Februar) aus Energieüberschüssen im Sommer (Mai, Juni, Juli, August) schließen. Mit der Frage nach dem 'wie' kommen wir zum Anfang der Geschichte zurück: mit Hilfe von Enapter-Wasserstoff. In diesem Sommer werden wir die Gasproduktion für den Winter aus Wasser und Sonnenschein beginnen. Mangels ausreichender Speicherkapazität wird der tagsüber gewonnene Wasserstoff nachts direkt zurück verstromt; also keine Lösung die über den nächsten Winter hilft. Aber 2023/24 können wir bei bester Performance unabhängig(er) sein. - Arno Tilsner

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