Von Stefan Bergmann, 03.08.2022

Reisen bildet...

... Das ist eine Platitüde, aber trotzdem meistens wahr. Es sei denn, man ist und bleibt am Ballermann. Dann bilden sich nur Sonnenbrand und Bierbauch.

Aber auf Reisen sieht man auch, wie andere Städte mit gleichen Problemen umgehen.

Münster und Marseille haben nicht viel gemeinsam. 350.000 Einwohner contra 860.000. Aasee contra Mittelmeer. 25 Grad und schwül contra 33 Grad mit ständiger Brise vom Meer. Doch die beiden Städte haben auch eine Gemeinsamkeit: Es gibt unzählige Roller und E-Bikes von unzähligen Anbietern. Praktisch überall stehen sie griffbereit, selbst in den entfernen Vororten von Marseille. Sie werden gerne genutzt - auch wenn das beim südfranzösischen Verkehr mindestens so halsbrecherisch anmutet wie im münsterschen Trubel innerhalb des Promenadenringes.

In Münster stehen die Roller überall. Immerhin gibt es ein paar Parkverbotszonen, aber das war’s. Gerade hat der Anbieter Bolt per Zeitung verkünden lassen, dass er jetzt künstliche Intelligenz einsetzen will, um seine Kunden dazu zu bewegen, ihren Roller unstörend zu parken: Man macht ein Foto mit dem Handy, die App erkennt die Situation, und wenn der Roller ungünstig steht, dann gibt es Ratschläge zum besseren Parken. Bravo? Eher nicht.

Es ist eine smarte Lösung für die Anbieter, denn nach wie vor können die Roller prinzipiell überall im Weg rumstehen - und sind somit schnell verfügbar für jeden. Aber wenn die münstersche Stadtverwaltung eine echte Verbesserung des Stadtbildes und der bürgersteiglichen Barrierefreiheit erreichen wollte, sollte sie besser den unbequemen Weg à la Marseille gehen.

Rollerparkplatz with a view: In Marseille hat die Stadtverwaltung die Roller- Anbieter an die Zügel genommen. Dort ist es unmöglich, wild zu parken.

In der gesamten Stadt sind Parkzonen definiert. Teilbereiche auf einigermaßen großen Plätzen. Diese Parkzonen sind in den Apps hinterlegt und somit für jeden einsehbar. Wird ein Roller außerhalb dieser Parkzonen in die Rabatten geworfen oder einfach irgendwo hingestellt - dann lässt sich die Fahrt nicht beenden. Die Uhr tickt weiter, es wird teurer und teurer. Da ist dann nichts mit Beratung und künstlicher Intelligenz. Sondern es geht an den Geldbeutel. Nachteil des Systems (aus Sicht der Anbieter): Man muss mitunter ein paar Schritte gehen, bis man einen Rollerparkplatz findet. Und vielleicht geht man dann doch eher zu Fuß nach Hause. Nachteil für die Stadt (zu Beginn): Man kann das Parkproblem nicht mehr auf die Anbieter abwälzen, sondern muss selbst zur Lösung beitragen.

Es ist klar, dass die Anbieter dieses Parkmodell wohl kaum von selbst vorschlagen werden. Aber es ist an der Stadt Münster, es zufordern und entsprechende Stellen in der Stadt auszuweisen. Appelle und Beratung helfen beim Parken nicht. Das funktioniert schon bei Autofahrer und Radfahrern nicht.

Alors enfants de la patrie - Münster sollte über den südfranzösischen Weg nachdenken. Der Lohn: Ein aufgeräumtes Stadtbild, keine Stolperfallen, keine Roller mehr in Aasee und Kanal.

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